Die Geschichte des Donald Rumsfeld


Seite 1 von 1
Neuester Beitrag: 23.02.03 18:19
Eröffnet am:23.02.03 17:05von: NassieAnzahl Beiträge:9
Neuester Beitrag:23.02.03 18:19von: clipLeser gesamt:833
Forum:Talk Leser heute:1
Bewertet mit:
2


 

16074 Postings, 8201 Tage NassieDie Geschichte des Donald Rumsfeld

 
  
    #1
2
23.02.03 17:05
Das Schlachtschiff

Donald Rumsfeld ist die Reizfigur aller Kriegsgegner in Europa. Er ist 70 Jahre alt, steinreich und kämpft mit Härte und Humor für das, woran er glaubt - an die Vernunft der Waffen und die Macht Amerikas. Von Alexander Osang

Manhattan ist eine schmale Insel. An ihrem Ostufer hat Uno-Waffeninspektor Hans Blix vormittags über seinen Bericht gebeugt um mehr Zeit für Kontrollen gekämpft, am Westufer betritt US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld abends mit durchgedrücktem Rücken einen Flugzeugträger, um den "Intrepid-Freiheitspreis" in Empfang zu nehmen. 14 Avenues und ein paar Stunden liegen zwischen beiden Ereignissen.
Und die ganze Welt.

Der Flugzeugträger im Hudson ist so groß wie das Uno-Gebäude am East River, aber an Bord wird nicht diskutiert, sondern gefeiert, als wären alle Entscheidungen gefallen. Im Bauch des Schiffs stehen Männer und Frauen in Abendgarderobe sowie Soldaten in Gala-Uniform an den Tischen, die Stahlwände sind mit amerikanischen Fahnen ausgeschlagen, auf der Bühne singt eine schwarze Sängerin die Nationalhymne. Der Flugzeugträger "Intrepid" ist heute ein Museum, manche der Soldaten sehen so steif und unbeweglich aus, dass man nicht genau weiß, ob sie wirklich leben. Als die Hymne vorbei ist, setzen sie sich, das Essen kommt. Rumsfeld nimmt am Tisch Platz, der der Bühne am nächsten steht. Neben ihm sitzen General Tommy R. Franks und dessen Frau Cathy sowie ein paar Repräsentanten der "Intrepid-Stiftung", die sich um Soldatenfamilien in Not kümmert. Franks hat den Freiheitspreis der Stiftung im vorigen Jahr bekommen, davor Rudolph Giuliani, Colin Powell, Bill Clinton, Jizchak Rabin, Margaret Thatcher, George Bush, Ronald Reagan und auch Richard Cheney. Viele gute alte Bekannte.

Rumsfeld isst wenig, nach dem Hauptgang steht er auf und begrüßt die Leute, die an seinen Tisch pilgern. Er steht gern. Dann beginnt sein General mit der Laudatio.

Donald Rumsfeld verkörpere für ihn den amerikanischen Geist, sagt Franks. "Er war Navy-Pilot, er war Kongressmann, er war der Bürochef im Weißen Haus, Nato-Botschafter und Verteidigungsminister. Für mich ist er nur der Boss." Mehr Begründung gibt es nicht für den Freiheitspreis. Franks hängt ihm die Medaille um, alle klatschen, manche rufen "Ho!"

"Danke, General", sagt Rumsfeld. "Es ist eine große Ehre, neben Ihnen zu dienen." Und dann, zur Frau des Generals, die von der Presse beschuldigt wird, die Privilegien ihres Mannes auszunutzen: "Cathy, Sie dienen unserem Land auch, und wir wissen das zu schätzen."

Darum geht es unter Männern, die sich brauchen. Niemand wird zurückgelassen. Deswegen ist auch Donald Rumsfeld immer noch da.

"Wissen Sie, ich habe einiges mit diesem Flugzeugträger gemein. Die USS 'Intrepid' diente der Navy in verschiedenen Einsätzen. Genau wie ich. Sie wurde Mitte der siebziger Jahre aus dem Betrieb genommen. So wie ich. Aber dann wurde sie noch mal vom Schrottplatz geholt. So wie ich. Wir beide sind der lebende Beweis dafür, dass ein paar runtergewirtschaftete Navy-Maschinen diesem großartigen Land durchaus noch einen Dienst erweisen können." Rumsfeld lacht wie ein Junge.

Er war als Kind zum ersten Mal auf so einem Flugzeugträger, sagt er. Er war elf Jahre alt, als er seinen Vater in den Krieg verabschiedete. Er erinnere sich an die Gerüche, die Geräusche, an das Gefühl, das die Kraft des Schiffs in ihm auslöste. Sein Vater hatte sich nach dem Angriff auf Pearl Harbor freiwillig gemeldet, die Familie zog ihm viermal hinterher, quer durch Amerika. Rumsfeld verkaufte Melonen und Fisch oder half auf einer Hühnerfarm. Nach dem Krieg gingen sie zurück nach Winnetka, eine Mittelklassegegend am Rande Chicagos. Sein Vater verkaufte wieder Immobilien. Rumsfeld besuchte die New Trier High School, zwei Straßen vom Lake Michigan entfernt.

"Wir sind eine sehr alte Schule", sagt die Direktorin Debra Stacey. New Trier ist 1901 gegründet worden, das ist alt in Amerika. Debra Stacey hat noch das Programm für die Jubiläumsfeier auf dem Schreibtisch. Hinter ihr hängen die Fahnen Amerikas, Illinois' und New Triers.

Das Motto der Schule ist: "Unser Geist ist der Forschung verpflichtet, unser Herz dem Mitgefühl und unser Leben dem Dienste der Menschheit." Rumsfeld erschien zur Feier, zusammen mit ein paar Botschaftern und Kongressmitgliedern, die die Schule hervorgebracht hat. Charlton Heston, Amerikas größter Waffennarr, war auch in New Trier.

In den Regalen hinter der Direktorin stehen die Jahrbücher mit den alten Schwarz-Weiß-Porträts von Rumsfeld, seinen Freunden und seiner späteren Frau Joyce. Der Schulleiter hatte Rumsfeld aufgefordert, sie zum Abschlussball auszuführen. Ihre Beziehung zu einem der besten Footballspieler der Schule war gerade zerbrochen, sie hatte niemanden, also musste der getreue Rumsfeld ran. "Der Dekan hat ihn beauftragt", sagte Joyce Rumsfeld Jahre später im Fernsehen, "das muss man sich mal vorstellen."

Sie gingen miteinander aus, trennten sich, wechselten die Schule, Joyce ging nach Westen, Donald an die Eliteuniversität Princeton, um Politik zu studieren. Sie behielten sich im Auge. "Joyce ging mit einem Jungen aus", hat Rumsfeld einmal erzählt. "Ich dachte mir, vielleicht heiratet sie den am Ende. Da habe ich sie gefragt. Ich hatte eigentlich noch gar keine Lust, aber der Gedanke, dass sie diesen anderen Burschen heiratet, gefiel mir nicht." Sie haben drei Kinder, sechs Enkel, Joyce ist 30-mal mit ihm umgezogen. Offenbar hat er keinen Fehler gemacht.

Rumsfeld gewann sowohl in New Trier als auch in Princeton Ringermeisterschaften, nach dem Studium wurde er Navy-Pilot, dann ging er in die Politik. Mit 29 Jahren war er der jüngste Kongressabgeordnete in Washington. Er setzte sich für die Bürgerrechte der Schwarzen ein, bekämpfte die Erzkonservativen in seiner Partei. Er sah gut aus, sein Lachen war ansteckend, er galt als ein John F. Kennedy der Republikaner. Präsident Richard Nixon schickte ihn als Nato-Botschafter nach Brüssel. Er lernte die Alte Welt kennen. Er war weit genug weg von Watergate.

Nixons Nachfolger Gerald Ford machte ihn zum Stabschef des Weißen Hauses. Aber Rumsfeld wollte schnell ganz nach oben. Es heißt, dass er mächtiger gewesen sei als der Präsident. Rumsfeld machte sich viele Feinde. Seine Personalentscheidungen sind als "Halloween-Massaker" in die Geschichte eingegangen. Auch Henry Kissinger und George Bush gehörten damals zu seinen Opfern. Ford ernannte ihn noch zum jüngsten Verteidigungsminister aller Zeiten, ein Jahr vor den Wahlen, die dann Jimmy Carter gewann.

"Was machen Sie jetzt?", fragte ein Reporter ihn in den Tagen nach der Niederlage. "Ich habe nicht den blassesten Schimmer", sagte Rumsfeld.

Er hatte Schulden und so gut wie keine Erfahrungen in der privaten Wirtschaft. Alte Freunde verschafften ihm einen Chefposten bei dem schwächelnden Pharmaunternehmen G. D. Searle. Er entließ einen Großteil der Beschäftigten, verkaufte unprofitable Zweige und erhöhte den Börsenwert der Firma in drei Jahren um 500 Prozent. Das Wirtschaftsmagazin "Fortune" wählte ihn unter die zehn härtesten Wirtschaftsbosse Amerikas. Irgendwann verkaufte Searle das Unternehmen an einen größeren Konzern, wobei Rumsfeld die ersten Millionen Dollar verdiente. Heute wird sein Vermögen auf bis zu 210 Millionen Dollar geschätzt.

Ende der achtziger Jahre versuchte Rumsfeld ein politisches Comeback. Er spielte ein letztes Mal mit dem Gedanken, Präsident zu werden. Er investierte ein, zwei Millionen Dollar, sondierte seine Möglichkeiten - und ließ es dann sein. Sein alter Widersacher George Bush gewann.

Rumsfeld kaufte sich eine Farm in New Mexico. Dass er vor zwei Jahren doch noch in den Bush-Clan aufgenommen wurde, verdankt er Dick Cheney. Rumsfeld war da 68 Jahre alt, er ist der älteste Verteidigungsminister, den Amerika je hatte.

Er wollte sein Land für den Kampf des 21. Jahrhunderts rüsten. Damals wusste niemand, was das sein sollte. Die Gefahr, erzählte er immer wieder, bestünde darin, dass die Amerikaner alles, was unwahrscheinlich sei, auch für unvorstellbar halten, so wie damals Pearl Harbor. Rumsfeld nervte das Pentagon und die Öffentlichkeit mit seinen Forderungen nach Erhöhung des Militärhaushalts, er schien ein Relikt aus dem Kalten Krieg zu sein. Im Sommer 2001 diskutierten die ersten Zeitungen bereits seine Nachfolge.

Der 11. September löste Rumsfelds Versprechen ein.

Noch am selben Morgen, bei einem Frühstück im Pentagon, hatte er seine Schreckensvision wiederholt, er war das allerletzte Mal der nervende Opa. Dann schlug das Flugzeug ein. Rumsfeld sprang ins Chaos wie in ein warmes Bad. Er rannte dem Rauch entgegen; es gibt Fernsehbilder, die ihn dabei zeigen, wie er einen Verletzten transportiert. Er stand bei der ersten Pressekonferenz mit gerecktem Kinn neben dem Präsidenten.

Am 12. September erklärte er das Pentagon für wiedereröffnet. "Die Terroristen schlagen sowieso zu, wann sie wollen", sagte Rumsfeld. Die Katastrophe war wie für ihn gemacht, er hatte endlich wieder was zu managen. Rumsfeld wurde zum Star, so berühmt wie noch nie in seinem politischen Leben.

Er war immer eine Projektionsfläche für Freunde und Feinde, aber nie spiegelte er so intensiv wie heute. Manche sehen in ihm den hochintelligenten, flexiblen Manager der Schlachten des 21. Jahrhunderts, manche einen plumpen Welt-Gendarmen. Er ist Kriegsheld und Kriegstreiber. "Vanity Fair" ließ ihn von Annie Leibovitz fotografieren, die "National Review" nannte ihn auf ihrer Titelseite das neue amerikanische Pin-up, und er ist wohl das beliebteste Feindbild der Friedensbewegung, noch fieser als George W. Bush.

Am meisten verachten ihn wohl die Deutschen, die er mit Frankreich zum "alten Europa" machte und mit Libyen und Kuba in einen Topf warf. Im deutschen Fernsehen werden Späße mit seinem Namen gemacht. Rums und Feld.

Er gleicht dem Bild, das die Deutschen von Amerika haben. Donald Rumsfeld ist gesund, laut, paranoid, ohne Selbstzweifel.

Vor kurzem reiste er nach München, um zu zeigen, dass er nicht der Bürgerschreck ist, von dem man in den Zeitungen liest. Er hielt einen Vortrag auf der Sicherheitskonferenz und versuchte, die umständlichen Fragen der deutschen Parlamentarier mit Anstand zu beantworten. Als Joschka Fischer sich zu einem emotionalen Vortrag hinreißen ließ und von seiner eigenen Geschichte erzählte, sah Rumsfeld, die Ohrhörer halbherzig eingestöpselt, ihn nur fassungslos an. Und dann traf er sich für eine Stunde mit seinem Kollegen Peter Struck in einer Suite des Hotels Bayerischer Hof.

Rumsfeld erklärte Struck, dass der Kuba-Libyen-Vergleich nicht so fies gemeint war. Er habe nur die Frage eines Journalisten beantwortet, welche Länder sich um keinen Preis an einer militärischen Aktion beteiligen würden. Er schätze Deutschland für seinen Einsatz in Afghanistan. Es sei normal, dass man verschiedene Positionen habe. Wer das nicht begreife, begreife Geschichte nicht.

War Rumsfeld sauer?

"Nö", sagt Struck. "Wir kommen eigentlich ziemlich gut zurecht."

Kann man mit jemandem verhandeln, der sich bereits entschieden hat?

"Soll ich ihn bitten: ,Zieh nicht in den Krieg!'? Ich weiß doch, wie der denkt."

Wahrscheinlich haben die Deutschen und Donald Rumsfeld aneinander vorbeigeredet. Kurz bevor er zurück nach Amerika flog, wurde Rumsfeld nach dem emotionalen Ausbruch Fischers gefragt.

Rumsfeld kratzte sich im Nacken, das macht er gern, bevor ein Witz kommt. Dann sagte er: "Ich muss jetzt, glaube ich, ein wichtiges Telefongespräch führen."

Wenn man so will, war das sein letzter offizieller Satz in Europa: Er muss ein wichtiges Telefongespräch führen. In Amerika lieben sie ihn für so etwas.

Seine Pressekonferenzen sind berühmt.

"Ist Osama Bin Laden am Leben oder nicht?", hat ihn ein Reporter gefragt.

"Es ist genau so, wie Sie es sagen: Er ist am Leben oder nicht", antwortete er.

Einmal beendete er eine Pressekonferenz, weil ihm der Satz, den er gerade gesagt hatte, so gut gefiel.

"Oh, das war ein schöner Schluss", sagte er zum Reporter, der ihm die nächste Frage stellte. "Sie glauben doch nicht, dass ich den ruiniere. Nein. Ich verschwinde jetzt hier so schnell wie möglich."

Vorvergangene Woche war der britische Verteidigungsministerkollege Geoffrey Hoon da. Sie beteuerten eine halbe Stunde lang ihre Solidarität, Rumsfeld blinzelte wie immer ins Kameralicht, er hielt wie immer eine schmale, schwarze Ledermappe wie einen Schlachtplan vor seiner Brust und wippte bei gelungenen Antworten leicht in den Knien wie ein Stabsfeldwebel. Hoon sah ein bisschen ungesund aus neben dem aufrecht stehenden, asketischen Rumsfeld.

Es wurden alle wichtigen Fragen gestellt, es sind ja nicht so viele. Nach einer halben Stunde sagte Rumsfeld zu Hoon: "So, ich muss jetzt los, aber Sie können gern allein weitermachen."

Und Hoon sagte zu Rumsfeld: "Der Versuchung kann ich widerstehen."

Dann gingen sie ab, alle lachten. Und während sie noch lachten, die Diktiergeräte und die Kameras ausschalteten, während Hoon und Rumsfeld bereits über den Pentagon-Flur liefen, vorbei an den Kriegsfilmpostern, den gerahmten amerikanischen Zeitungstiteln aus den beiden Weltkriegen, den Korea-, Vietnam- und Golfkriegen und den Porträts aller amerikanischen Verteidigungs- und Kriegsminister, da erst merkten die Journalisten, dass sie keine einzige Antwort bekommen hatten.

Es gibt keine Antworten auf die einfachen Fragen. Es gibt nur Erklärungsversuche, warum die Amerikaner in den Irak wollen. Einer davon ist: Rumsfeld will in den Irak.

Denen, die das nicht wollen, antwortet er: "Jedes Argument, das die Koalition gegen unsere Irak-Pläne vorbringt, ist ein Argument für eine neue, andere Koalition."

Rumsfelds Hass auf den Irak stammt aus den achtziger Jahren, als er im Auftrag von Reagan mit Saddam Hussein verhandelte. Die USA versorgten die Iraker damals mit Geheimdienstmaterial für ihren Krieg gegen Iran. Es gibt Aufnahmen, auf denen Saddam und Rumsfeld aussehen wie zwei alte Freunde. Manche sagen, Rumsfeld wolle sich an Saddam dafür rächen, dass er ihn, ausgerechnet ihn, übers Ohr gehauen hat.

Warum Rumsfeld etwas will, weiß niemand, man weiß nur, dass er es will. Es gibt einen Katalog mit den "Rumsfeld Rules", aber das sind nur ein paar Verhaltensregeln eines erfolgreichen Managers: "Lern zu sagen, ich weiß es nicht" - "Mach den Boss nicht verantwortlich, er hat genug Probleme" - "Wenn dich keiner kritisiert, arbeitest du nicht genug". Rumsfeld ist kein Gotteskrieger, er arbeitet gern, er hasst Stillstand. Ehemalige Untergebene erzählen, dass er

Leute entließ, weil sie ihm nicht schnell genug zur Sache kamen. Er ist jetzt der Verteidigungsminister. Also will er auch schießen. Vielleicht ist das alles.

Die Wutausbrüche finden hinter verschlossenen Türen statt. Rumsfeld verbringt viel Zeit im Pentagon, es erinnert an einen Bunker. Man taucht hinein wie in eine andere Welt. Uniformierte laufen im Kunstlicht über lange, graue Flure. Die Fenster sind gelbgrün gefärbt, die Welt draußen wirkt unecht. Hier beeindrucken nicht mal zehn Millionen Demonstranten.

Henry Kissinger, der ehemalige Außenminister und früher ein Opfer Rumsfelds, ist eine ähnlich dunkle Figur. "Wir hatten Meinungsverschiedenheiten, aber das ist lange her", sagt Kissinger ruhig.

Aber Rumsfeld hat versucht, Sie zu stürzen, er hat Ihren Machtbereich beschnitten.

"Oh, ich war damals in China", sagt Kissinger, er atmet schwer. "Sie müssen verstehen, wir sind heute befreundet."

Stimmt es, dass Rumsfelds Frau damals bereits Ihr Büro vermessen hat?

"Das war nur ein Witz von mir."

Aber es hat Rumsfeld geärgert.

"Es war nur ein Witz."

Sie sagen, er sei erbarmungslos.

"Ja. Man kann durchaus erbarmungslos und ein großer Staatsmann sein. Wir waren vor zwei Tagen essen. Er ist ein großartiger Politiker geworden. Er weiß, was er will. Ich kenne ihn seit 30 Jahren."

Wie hat er sich verändert?

"Sein Ehrgeiz hat nachgelassen. Aber er verliert immer noch nicht gern, und das ist keine schlechte Eigenschaft für einen Verteidigungsminister. Er muss niemandem mehr etwas beweisen. Er versucht, den bestmöglichen Job zu machen."

In Europa gilt Rumsfeld als oberster Kriegstreiber.

"Ach was, er ist ein sehr nachdenklicher Mensch. Viele seiner Bemerkungen macht er, weil er befürchtet, Deutschland und Frankreich entfremdeten sich von der Nato. Das müssen die Europäer verstehen. Er ist kein Süßholzraspler."

Kissinger hat ihm Ende der achtziger Jahre zur Kandidatur für die Präsidentschaft geraten. Später schrieb er, dass Rumsfeld wohl Angst hatte, die letzte Hürde zu nehmen. Angst zu versagen. Das wäre beruhigend, aber Kissinger weiß heute nicht mehr, ob es wirklich stimmt.

Am Abend in New York, im Bauch des Kriegsschiffs, erzählt Rumsfeld noch eine letzte Anekdote. Er muss zurück nach Washington. Er beschreibt, wie er als junger Mann in den fünfziger Jahren auf einem Flugzeugträger in New York anlegte. Sie vergnügten sich in der Stadt, kehrten nachts aufs Schiff zurück, und als sie am nächsten Morgen aufwachten, steckten sie am Ufer New Jerseys fest. Das Schiff hatte sich gelöst und war hinübergetrieben.

"Wir haben hin und her überlegt, und dann ließen wir das Schiff mit vielen kleinen Schleppbooten herausziehen. Sie waren winzig, verglichen mit dem riesigen Flugzeugträger. Aber es waren viele, und so haben sie es geschafft."

Okay, denkt man, eine kleine Parabel: Vereint sind wir stark. Seine Begleiter machen Zeichen, sie müssen jetzt los.

"Später habe ich die Geschichte mal bei einem Vortrag erzählt, da meldete sich ein alter Herr, ein Admiral, der damals Kapitän auf dem Flugzeugträger gewesen war. 'Schöne Geschichte', sagte er. ,Aber es waren nicht die kleinen Boote, die das Schiff bewegt haben, Rumsfeld. Es war die Flut.'" Rumsfeld lacht und geht schnell hinaus.

Die Moral dreht sich ständig. Man kann sich nicht auf sie verlassen.

Rumsfeld läuft über die verschlungenen Wege des Flugzeugträgers hinaus in die New Yorker Nacht. Überm Hudson kreist ein Helikopter, in der Stadt patrouillieren Soldaten. Die New Yorker bunkern Wasser und Klebeband. Der Feind ist unberechenbar. Rumsfeld steigt in seinen Jeep, sein General in einen anderen. Drei schwarze Autos und zwei Polizeiwagen fahren durch die Westside davon. In der ganzen Welt malen die Friedensdemonstranten an ihren Plakaten. Morgen werden in den Straßen der schmalen Insel Manhattan Hunderttausende demonstrieren.







 

34698 Postings, 8649 Tage DarkKnightDanke für die Info.

 
  
    #2
23.02.03 17:39
Mit dem ist wohl wirklich schwer Kirschen essen ...  

16074 Postings, 8201 Tage NassieIch bin verblüfft

 
  
    #3
23.02.03 17:45
wie er es in kürzester Zeit geschafft hat aus wenig Geld ein Vermögen von über 200
Millionen Dollar zu machen.
Ist doch legal fast unmöglich.  

34698 Postings, 8649 Tage DarkKnightTja, die erste Million ist die schwerste, dann

 
  
    #4
23.02.03 17:50
kommen die richtigen Kontakte, vielleicht ein Börsenboom und ein paar Insidergeschäfte, das kann ganz schnell gehen.

Ich bin eher verblüfft, daß er erst so alt werden mußte, bis mal richtig Kohle da war.

aber da versteht man auch wieder, warum er Krieg führen will: im alter hat man nix mehr vom Geld. Aber der Neid auf die Jugend verstärkt sich mit der eigenen zunehmenden Gebrechlichkeit: also schickt man sie in den Krieg (alte römische Weisheit).  

16074 Postings, 8201 Tage Nassie@Darki

 
  
    #5
23.02.03 17:52
Mir deiner Einschätzung könntest du recht haben.
Dem war langweilig auf seiner Ranch.  

422 Postings, 7924 Tage tosche1was man neidlos an erkennen muss

 
  
    #6
23.02.03 18:11
obwohl der Herr Rumsfeld oftmals wirklichen Bockmist erzählt und sich vielleicht manchmal zu weit aus dem Fenster leht. So hat er doch wohl eine sehr beeindruckende Karriere gemacht die seines gleichen Sucht. Wenn ich mir  mal den G. W. Bush anschaue. Der hat doch alles vom Papa bekommen.

mfg
tosche1  

16074 Postings, 8201 Tage NassieErstaunlich ist auch

 
  
    #7
23.02.03 18:17
das er sich als Republikaner zu Beginn seiner Karriere für Minderheiten eingesetzt hat.
Hätte ich ihm garnicht zugetraut.  

34698 Postings, 8649 Tage DarkKnight@tosche1: wollte ich ja sagen, im Sinne von:

 
  
    #8
23.02.03 18:17
den will ich nicht zum Feind haben.

Wenn es sowas wie einen "knallharten Typen" wirklich gibt, dann zähle ich seit heute den eher dazu als Mike Tyson.  

3067 Postings, 7812 Tage clipscheisse... Darkknight

 
  
    #9
23.02.03 18:19
ich glaub...ich hatte mal was gegen dich gesagt *lol

 

   Antwort einfügen - nach oben