Spiegel-Artikel über EM TV


Seite 1 von 1
Neuester Beitrag: 04.12.00 12:53
Eröffnet am:05.12.99 17:46von: vanSeeAnzahl Beiträge:7
Neuester Beitrag:04.12.00 12:53von: majorLeser gesamt:5.652
Forum:Börse Leser heute:2
Bewertet mit:


 

536 Postings, 8910 Tage vanSeeSpiegel-Artikel über EM TV

 
  
    #1
05.12.99 17:46
  Ein Schuss Größenwahn

  Im Zusammenspiel mit dem Kirch-Konzern stieg Thomas Haffa zum Börsenstar auf,
  seine Firma EM-TV ist inzwischen fast so viel wert wie die Lufthansa. Nun aber wächst
  die Zahl der Kritiker, erste Misserfolge schleichen sich ein. Geht es bald bergab mit
  Haffa?

  Es war, wie immer, eine perfekte Show: die schnellen, grellen Filme mit
  Eigenwerbung auf der Leinwand, der riesige Saal des Münchner Messezentrums
  mit über 3000 Besuchern, die Bilanz voller tausendprozentiger Steigerungen.

  Messianisch breitete Thomas Haffa, 47, zum Schluss der
  Jubel-Hauptversammlung seiner Firma EM-TV die Arme aus. "Vor uns liegt der
  Weltmarkt", verhieß der Vorstandschef mit den stahlblauen Augen und dem
  ewigen Lächeln.

  Die Aktionäre applaudierten noch mal begeistert dem Mann, der sie reicher und
  reicher machen soll. Altgesellschafter, die im Oktober 1997 beim Börsenstart von
  EM-TV nur 5500 Mark investierten, sind inzwischen zu Millionären geworden.

  Die Zeit solch märchenhafter Sprünge ist allerdings vorbei, die Strahlkraft der
  Aufsteigerfirma wird schwächer. Inzwischen mehren sich die Bedenken, ob der
  triumphale Siegeszug des Vorzeigeunternehmens am Neuen Markt noch lange
  anhält. Plötzlich zweifeln auch gestandene Banker, ob der Markt für Kinder- und
  Jugendprogramme, das Stammgeschäft von EM-TV, groß genug ist – und wohin
  die Reise des Herrn Haffa überhaupt führt.

  Monat für Monat war der Aktienkurs von EM-TV in atemberaubende Höhen
  geklettert. Immer mehr Fonds und Großinvestoren aus dem In- und Ausland
  orderten das Papier, und das Management fütterte die Euphorie mit allerlei
  Erfolgsmeldungen. Resultat: Das Unternehmen mit rund 220 Mitarbeitern und
  voraussichtlich 325 Millionen Mark Umsatz in diesem Jahr wird an der Börse mit
  sagenhaften 15 Milliarden Mark bewertet.

  Gemessen am Aktienkapital liegt die Filmhandels- und Produktionsfirma aus
  München-Unterföhring damit weit vor Branchengrößen wie dem Springer Verlag.

  Selbst der amerikanische Walt-Disney-Konzern, mit dem sich Haffa gern
  vergleicht, erscheint gegen das bayerische Unikum krass unterbewertet: Obwohl
  die Amerikaner 100-mal mehr umsetzen, sind sie an der Börse nur siebenmal
  mehr wert.

  In der verrückten deutschen Börsenwelt ist die kleine EM-TV mittlerweile fast
  genau so viel wert wie die große Lufthansa, die mit 55 000 Mitarbeitern knapp 23
  Milliarden Mark Jahresumsatz schafft.

  Solche Vergleiche kontert das EM-TV-Management gern mit einem Schuss
  Größenwahn. Es sei "noch sehr viel Luft drin im Wachstum", erklärt Finanzvorstand
  Florian Haffa, 34, der jüngere Bruder und Stellvertreter des Firmenchefs. In der
  Finanzszene ist man skeptischer, neuerdings zumindest. Das sei eine
  "Luftnummer", sagt der Analyst einer Frankfurter Großbank. Die Haffas verstünden
  es sehr gut, "ihr Unternehmen in der Öffentlichkeit zu verkaufen", erklärt
  TV-Konkurrent Albert Schäfer, Chef des Kinderkanals.

  Viele Finanzprofis der Banken und Investoren setzen zwar nach wie vor
  unverdrossen auf EM-TV – doch auch unter ihnen macht sich Unbehagen breit. Die
  Schar der Börsianer teilt sich in "Believer", die an Haffa glauben, und Kritiker, die
  argwöhnisch sind.

  Schon seit Wochen stuft die DG Bank die Erfolgsaktie beharrlich auf "Reduzieren"
  – die Anleger sollten besser verkaufen. Intern rechnen die DG-Banker vor, dass
  EM-TV in drei Jahren fast vier Milliarden Mark umsetzen und rund 600 Millionen
  Mark Gewinn machen müsste, um die irrwitzig hohen Börsenkurse zu rechtfertigen.
  Wie soll das gelingen?

  Für viele Medienprofis mutet die Haffa-Story ohnehin wie eine übersinnliche
  Erscheinung an. "Entweder das ist ein echtes Wunder oder die größte Seifenblase,
  die die Welt je gesehen hat", sagt Ex-RTL-Chef Helmut Thoma.

  Bisher ist es den EM-TV-Machern immer wieder gelungen, die Schar der
  Kleinaktionäre und Großinvestoren bei Laune zu halten. Mit schrillem Marketing
  und jugendlichem Charme hat Haffa sein Publikum im Griff. Unentwegt ortet er
  riesige Wachstumspotenziale und verbreitet wohlige Zuversicht: Er schwärmt vom
  "Klassiker Zeichentrick", von über 20 internationalen Co-Produktionen wie der
  neuen ZDF-Serie "Flipper & Lopaka", vom Digitalfernsehen mit 500 Kanälen, vom
  Boom des Expo-Maskottchens "Twipsy", von glänzenden Perspektiven im
  E-Commerce und von einer eigenen Ladenkette für Spielzeug.

  Doch so weltläufig sich Haffa auch gibt – die
  wesentlichen Geschäfte macht er mit einer
  einzigen Person: dem Münchner
  Medienunternehmer Leo Kirch, 73. Der
  TV-Pionier hatte ihn 1979 entdeckt ("Du gehörst
  zu mir!") und bis 1989 als Geschäftsführer
  beschäftigt.

  Die alten Bekannten haben eine raffinierte
  Geldbeschaffungsmaschine konstruiert, die
  einen Schluss zulässt: Hinter dem Geheimnis
  Haffa verbirgt sich das Geheimnis Kirch. Beide
  treiben fleißig Handel miteinander, verkaufen
  sich gegenseitig TV-Rechte und Firmenanteile
  und puschen so Umsätze und Betriebswerte. Am
  Ende bezahlt die Börse den Kreisverkehr.

  Die wundersame Geldvermehrung begann vor
  einem Jahr. Damals verkaufte Kirch, der durch
  Großinvestitionen im Pay-TV in Nöte geraten
  war, dem Zögling für 500 Millionen Mark die
  Hälfte seiner gesamten Bibliothek an Kinder-
  und Jugendfilmen. Der Bestand ist inzwischen
  auf über 28 000 Halb-Stunden-Episoden
  gewachsen. Die Aktivitäten legten die Partner im
  Joint Venture "Junior TV" zusammen – unter diesem Namen sollen die
  Programme überall auf der Welt zu sehen sein.

  Den Auftakt im deutschen Free-TV macht – wen wundert es – ein Kirch-Sender. Ab
  8. Januar 2000 spielt Sat 1 jede Woche zunächst zehn Stunden "Junior TV", meist
  am Wochenende.

  Haffa kassiert von Sat 1 – über fünf Jahre – genau 201 Millionen Mark für 6000
  Produktionen, darunter die Evergreens "Tom & Jerry", "Familie Feuerstein",
  "Schweinchen Dick" und die Neu-Serie "Regenbogenfisch". Vom Verkaufserlös hat
  er stolze 125 Millionen Mark bereits in die aktuelle Bilanz eingestellt.

  Es sei gelungen, die Rechte für nur eine Ausstrahlung zu vergeben, schwärmten
  die Haffa-Brüder auf der Hauptversammlung, danach könne EM-TV die Filme
  schnell an andere verkaufen.

  Das war wohl ein wenig geflunkert. In Wahrheit ist Sat-1-Chef Fred Kogel mit
  weitgehenden Optionsrechten Herr des Verfahrens. In dem
  50-Seiten-Vertragswerk mit EM-TV wird der Sender als "bevorzugter Partner"
  ("preferred partner") geführt. Demnach muss Haffa bis Mitte eines jeden Jahres
  eine Vorschlagsliste mit Programmen für das folgende Jahr vorlegen – Kogel
  entscheidet sich dann frei, gegebenenfalls auch für Wiederholungen. Die Kosten
  sind für die Sendeplätze genau festgelegt, von 10 000 Mark für die "Schlümpfe"
  (Samstagmorgen, 6.30 Uhr) bis zur Kultserie "Simpsons" am Nachmittag mit 70
  000 Mark. "Ein für uns perfektes Geschäft", sagt der Sat-1-Chef, seine Planer
  rechnen mit rund 300 Millionen Mark Werbeeinnahmen im Jahr.

  Durch den Deal freilich ist das Material für andere Sender weitgehend
  uninteressant. Große Umsätze kann EM-TV daraus im deutschen Fernsehen kaum
  erwarten. Es bereite "ein bisschen Sorge, dass ein Großteil der Mehrerlöse von
  EM-TV aus dem Sat-1-Geschäft stammt", kommentiert Klaus Schneider von der
  Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre.

  Weiteres Manko: Der Firma fehlen die Free-TV-Rechte für "Junior"-Hits wie die
  "Biene Maja", die in alle Ewigkeit beim ZDF summt. Der Mainzer Sender verfügt
  außerdem bis mindestens 2005 über die Astrid-Lindgren-Filme ("Pippi
  Langstrumpf") sowie über "Heidi", "Wickie" und "Tabaluga". Nur für das Pay-TV,
  internationale Verkäufe und das vom Erlöspotenzial beschränkte Merchandising
  hält Haffa Rechte an diesen Serien.

  Seinen angekündigten Expansionsdrang wird EM-TV wohl kaum im heimischen
  Kinderfernsehen austoben können. Das Volumen ist mit 500 Millionen Mark für
  Deutschland und 900 Millionen für Europa viel zu gering. Zudem denken die
  Dänen, die Schweden und die EU-Kommission über ein Werbeverbot im Umfeld
  von Kindersendungen nach – dann würden Kommerzsender wie Sat 1 als Kunden
  ausfallen.

  Dieser Falle will Haffa mit einem mutigen Sprung auf den US-Markt entgehen, wo
  sich Mediengiganten wie Disney, Warner ("Bugs Bunny"), Saban ("Power Rangers")
  und Viacom harte Quotenkämpfe liefern. Seit Monaten raunt der EM-TV-Chef von
  intensiven Verhandlungen mit einem US-Produktionsstudio, angeblich koste die
  Übernahme höchstens 500 Millionen Mark. "Der kann nur überleben, wenn er
  Disney kauft", sagt Kritiker Thoma.

  Haffa hat sich auf einen irrwitzigen Wettlauf eingelassen: Der nächste Deal muss
  schneller sein als der Börsenkurs. Er kauft Umsätze im Rekordtempo dazu,
  solange ihm die Aktionäre wohl gesinnt sind.

  Im August erstand der TV-Profi, der mit Kirchs Stellvertreter Dieter Hahn gut
  vertraut ist, 25 Prozent der bekannten, aber defizitären Filmfirma Constantin
  ("Der bewegte Mann"). Vorstandschef Bernd Eichinger hatte die Auswertung der
  attraktiven TV-Rechte seiner Produktionen gegen wenig Geld dem
  Mitgesellschafter Kirch übertragen – und blieb so auf hohen Kosten sitzen.
  Trotzdem zahlte EM-TV 125 Millionen für den Wackelkandidaten, ein gut Teil des
  Geldes floss erneut an Kirch. Und mit der Galionsfigur Haffa konnte Constantin
  leicht an die Börse gehen.

  Wenig später kaufte EM-TV auch noch 45 Prozent der Tele-München-Gruppe des
  Filmhändlers und Ex-Kirch-Managers Herbert Kloiber. Dafür zahlte Haffa 800
  Millionen Mark; der Konzern CLT-Ufa hatte zuvor Kloibers gesamten Filmstock
  ("Notting Hill") mit nur 600 Millionen bewertet.

  Das Geld holte sich EM-TV erneut an der Börse. Eine Kapitalerhöhung brachte 955
  Millionen Mark. Eine geplante Anleihe aber, die später in Aktien getauscht werden
  sollte, musste auf Bankenwunsch verschoben werden. Nur jedes zweite Papier war
  verkäuflich, offenbar hatten sich die Investoren mit dem Ankauf der neuen Aktien
  verausgabt. Das Finanzierungsloch von einer Milliarde gleicht eine Bankengruppe
  mit Krediten aus und bereitet eine neue Anleihe vor. "Wir kommen mit einem
  lachenden und einem blauen Auge weg", glaubt Florian Haffa. Für seinen großen
  Bruder haben die anderen Schuld, nicht EM-TV. "Einem Banker fliegen die Dinge
  zu", sagt Thomas Haffa ironisch, "Banken haben nicht gelernt zu verkaufen."

  Das kann Haffa zweifellos – vor allem sich selbst. Medienwirksam schwärmt er von
  einem geplanten Treffen mit Bill Gates. Microsoft brauche Inhalte, EM-TV
  Verbreitungswege. Schon sieht er seine Firma auf dem Weg zum "integrierten
  Medienkonzern" mit Weltgeltung.

  Das klingt, als solle der Kirch-Konzern noch einmal erfunden werden.

  HANS-JÜRGEN JAKOBS  

317 Postings, 8997 Tage schaumermalist doch ganz beachtlich

 
  
    #2
05.12.99 17:58
wie schnell haffa in den spiegel kommt. kirch brauchte laenger.
spieglein, spieglein in der hand, wer hat die schoenste geschichte im land?
ihr, der spiegel, habt die schoensten geschichten im ganzen land. doch der focus, ist dicker und bunter als ihr.  

367 Postings, 8919 Tage Amateurkann mich noch an die aussage berneckers im n-tv erinnern

 
  
    #3
05.12.99 18:10
da machte unser aller freund bernecker darauf aufmerksam,daß eine em-tv überbewertet sei.das entsetzen auf sein urteil hin war auf vielen bords zu lesen.aber wer weiß,vieleicht denken in der nächsten zeit doch einmal ein par fondmanager über gewinnmitnahmen nach.  

3007 Postings, 9008 Tage Go2BedUnd der Spiegel hat den Schuß nicht gehört! o.T.

 
  
    #4
05.12.99 19:06
 

67 Postings, 9017 Tage MichaelmanAn Go2Bed

 
  
    #5
06.12.99 00:47
Warum sollte der Spiegel den letzten Schuß nicht gehört haben? Absolut sauber recherchierte und seriöse Berichterstattung, was ist daran verkehrt? Natürlich meinungsbildend auf hohem Niveau, aber welches Medium ist das nicht auf irgendeine Weise? Erkläre doch bitte Deine ablehnende Haltung ...

Good Trades
Michaelman  

937 Postings, 9010 Tage SkippiBestätigung, hat den Zug verpasst.

 
  
    #6
06.12.99 00:57
solche Meinungen habe ich 1989 schon gelesen.

Gruß
Skippi  

11526 Postings, 8605 Tage majorachtung : nicht wild posten -> datum o.T.

 
  
    #7
04.12.00 12:53
 

   Antwort einfügen - nach oben