Zur Erinnerung: Nach Vietnam? No, Sir!


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Neuester Beitrag: 30.03.03 13:28
Eröffnet am:27.03.03 12:06von: Happy EndAnzahl Beiträge:6
Neuester Beitrag:30.03.03 13:28von: mikelandauLeser gesamt:781
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95441 Postings, 8516 Tage Happy EndZur Erinnerung: Nach Vietnam? No, Sir!

 
  
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27.03.03 12:06
Schon einmal weigerte sich die Bundesrepublik, an der Seite Washingtons in den Krieg zu ziehen

Im Dezember 1965 hatte der amerikanische Präsident seinen Bundeskanzler noch fest im Griff. Oder besser: im Schwitzkasten. Der Kanzler hieß damals Ludwig Erhard (CDU), der Präsident Lyndon Baines Johnson. Anders als der heutige erste Mann der USA, der Republikaner George W. Bush, gehörte Johnson den Demokraten an. Doch sonst gibt es manche Ähnlichkeit. Denn wie Bush war auch der damalige Präsident Texaner, berüchtigt für seine aufbrausende Art und bekannt als Freund klarer Worte und simpler Gesten. Der 43-jährige John F. Kennedy hatte den neun Jahre älteren Johnson 1961 zu seinem Vizepräsidenten gemacht; er sollte vor allem den Kongress unter Kontrolle halten und die südlichen Bundesstaaten in der Regierung repräsentieren. Durch die Ermordung Kennedys am 22.November 1963 im texanischen Dallas war der Vollblutpolitiker ohne außenpolitische Kompetenz überraschend an die Macht gelangt – und hatte ein schweres Erbe angetreten: Vietnam. Der schon seit Jahren schwelende Konflikt zwischen der prowestlichen Regierung im Süden, die von den USA unterstützt wurde, und den vom kommunistischen Nordvietnam ausgerüsteten Vietcong-Rebellen entwickelte sich mehr und mehr zu einem offenen Krieg.

In den Jahren 1964/65 hatte Johnson schließlich die verhängnisvolle Entscheidung getroffen, Amerikas militärische Präsenz in Vietnam massiv auszuweiten. Im Hintergrund stand die so genannte Domino-Theorie: Falls Südvietnam den Kommunisten in die Hände fiele, also „umkippte“, würden nach und nach auch die restlichen Staaten Südostasiens in Moskaus beziehungsweise Pekings Machtbereich fallen. Am Mekong verteidigten die USA also die ganze freie Welt; die Regierung in Saigon musste um jeden Preis gehalten werden. Und sollten dazu nicht auch Amerikas Verbündete, vor allem die Staaten Westeuropas, ihren Beitrag leisten?

Doch in der Alten Welt hielt sich die Kriegsbegeisterung in Grenzen. Paris und London wollten nicht mitmarschieren, und auch der engste europäische Verbündete, die Bundesrepublik Deutschland, ließ auf empörende Weise jede Solidarität im Abwehrkampf gegen den gemeinsamen Feind vermissen. Johnson war wütend, und Ludwig Erhard bekam das an jenem kalten Dezemberabend des Jahres 1965 in Washington zu spüren. Der Bundeskanzler zeigte sich irritiert, ja hilflos. Auch er, der rundliche Franke, war wie sein Gegenüber alles andere als ein Außenpolitiker. Lange hatte Konrad Adenauers Mann fürs Ökonomische, der „Vater des Wirtschaftswunders“, warten müssen, bis er im Oktober 1963 vom Bundestag endlich zum Nachfolger des inzwischen 87-jährigen Gründungskanzlers der Bundesrepublik gewählt worden war. Adenauer selber hatte in seinen letzten Amtsjahren ein Sonderverhältnis zu Frankreich aufgebaut (Élysée-Vertrag), das die Amerikaner mit tiefem Misstrauen betrachteten. Erhard hingegen ließ von Beginn an keinen Zweifel daran, dass er die USA als den engsten Verbündeten der Bundesrepublik und den amerikanischen Präsidenten als seinen persönlichen Freund ansah. „Ich liebe den Präsidenten, und der Präsident liebt mich“, soll er mehrfach gesagt haben.

Umso bitterer war die beiderseitige Enttäuschung jetzt. Von seinen Beratern gewarnt, dass Erhard durchaus nicht freiwillig mit Angeboten zur Waffenhilfe aufwarten würde, setzte Johnson das Brecheisen an. „Nun werden wir ja sehen, wer unsere wahren Freunde sind!“, drohte er, wie sich George McGhee erinnert, der ebenfalls anwesende damalige US-Botschafter in Bonn.

Mit lauter, leicht kippender Stimme verlangte der Präsident, über den sich duckenden Erhard gebeugt, konkrete Unterstützung für die US-Truppen in Vietnam. Schließlich habe kein Land so viel für den Wiederaufbau und den militärischen Schutz Deutschlands getan wie die Vereinigten Staaten. Wenn er jetzt von seinen eigenen Landsleuten die Entsendung weiterer 200000 Mann nach Vietnam fordere, dann könne er doch wohl erwarten, dass die Bundesrepublik 2000 Soldaten bereitstelle. Den Anfang, präzisierte Johnson, könnte zum Beispiel ein 1000 Mann starkes Pionierbataillon machen, außerdem denke er an 200 Sanitätssoldaten. Vor allem verlange er mehr Geld. Schließlich gehe es nicht um die USA, sondern um den Frieden und die Freiheit der Welt. Erhard, bei dem laut McGhee während der langen Tirade Johnsons der Angstschweiß ausbrach, wand sich: Natürlich wolle man die Sache der Freiheit unterstützen, aber es gebe da doch einige rechtliche Vorbehalte im Grundgesetz. Auf jeden Fall werde er nach seiner Rückkehr an den Rhein sehen, was sich machen ließe.

Der Zusammenstoß im Weißen Haus war der vorläufige Höhepunkt in einer jahrelangen Kontroverse zwischen der amerikanischen und der Bonner Regierung über die Bewertung des Vietnam-Kriegs und das Ausmaß des notwendigen Engagements vonseiten der Verbündeten. Am Ende dieser Kontroverse stand eine erhebliche transatlantische Entfremdung – und die entschiedene Hinwendung der Bundesrepublik zu Europa und zu Frankreich.

Dabei hatte es lange gedauert, bis Bonns Politikern klar geworden war, dass der Dschungelkampf in Südostasien auch ihre Kreise berühren würde. Zunächst hatte man angenommen, es ginge nur darum, Südvietnam von ein paar „kommunistischen Partisanen“ zu „säubern“. Nach rascher „Lösung“ dieses Problems würden sich die USA dann wieder dem eigentlichen Schauplatz des Kalten Kriegs in Europa zuwenden, der Berlin-Frage und dem geteilten Deutschland. Um die Franzosen, die ehemaligen Kolonialherren in Indochina, und deren Präsident Charles de Gaulle, der sich als eifriger Kritiker der US-Intervention hervortat, nicht unnötig zu verärgern, beließ man es am Rhein allerdings bei vagen Äußerungen der Solidarität und hoffte auf ein baldiges Ende des Spuks.

Diese Illusion zerstob spätestens 1964, als der US-Kongress den Präsidenten ermächtigte, die in Vietnam stationierten Militärberater mit einem gewaltigen Truppenaufmarsch zu unterstützen. Nun war die tatkräftige Solidarität der Verbündeten gefragt. Wie in der momentanen Debatte um den Irak-Feldzug der Regierung Bush ging es dabei weniger um einen kriegsentscheidenden Beitrag. Wichtiger war Washington das Signal, dass seine Sache moralisch unterstützt wurde und dadurch an internationaler Legitimation gewann.

Schon im Frühjahr 1964 hatte sich der damalige amerikanische Verteidigungsminister Robert Strange McNamara nach Bonn begeben, um die bisherigen Solidaritätsbekundungen der Verbündeten in bare Münze oder militärische Unterstützung zu verwandeln. Der 48-jährige McNamara war der Donald Rumsfeld der sechziger Jahre, intellektuell brillant, energisch und unbeirrbar von der Richtigkeit der eigenen Ideen überzeugt. Vor seinem Amtsantritt 1961 hatte der studierte Wirtschaftswissenschaftler die Ford-Werke saniert, und ebenso effizient und schnell gedachte er den Vietnam-Krieg siegreich zu beenden. 1968 allerdings musste er erkennen, dass dieser Krieg nicht zu gewinnen war, und es vergingen noch einmal 30 Jahre, bevor er öffentlich eingestand: „We were terribly wrong!“ – „Wir haben uns schrecklich geirrt!“

Im Frühjahr 1964 jedoch lag diese Einsicht noch weit entfernt. Von Kanzler Erhard forderte McNamara neben Ausgleichszahlungen für die Ausgaben der US-Truppen in Deutschland eine deutliche Unterstützung der amerikanischen Vietnam-Politik – und ein Sanitätsbataillon. Andernfalls würden die USA über einen Rückzug ihrer Soldaten aus der Bundesrepublik nachdenken.

Auch in den nächsten Monaten riss der Strom der Forderungen nicht ab. In einem Telegramm wies der amerikanische Außenminister Dean Rusk den US-Botschafter in Bonn an, Erhards Regierung endlich zu mehr Engagement zu bewegen: „In einer Situation, in der sich 60000 Amerikaner in Vietnam befinden, dürfen wir mit gutem Grund hoffen, dass unsere Verbündeten, vor allem die wichtigeren, sich in einer Größenordnung von vielen hundert Mann und nicht bloß einer Hand voll beteiligen.“

McNamara ärgert sich über die Deutschen

Erhard jedoch wusste, was auf ihn zukäme, setzte er deutsche Soldaten außerhalb des Nato-Gebiets ein. Die Schrecken der Nazizeit, die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs hatten der hundertjährigen Militärbegeisterung in Deutschland ein jähes Ende bereitet. Zwar waren aus den Deutschen nicht gerade militante Pazifisten geworden, aber doch wieder überzeugte Zivilisten. Und nur die Angst vor einer unmittelbaren sowjetischen Aggression hatte es überhaupt möglich gemacht, die Bundeswehr zu gründen und 1956 sogar die Wehrpflicht wieder einzuführen. Keinesfalls aber sollten deutsche Soldaten out of area eingesetzt werden. Nach Vietnam? – No, Sir! titelte selbst Bild im März 1965. Jegliches Engagement in einem bewaffneten Konflikt war hierzulande zutiefst unpopulär, auch wenn die Amerikaner noch so oft behaupteten, in Vietnam Berlin zu verteidigen. Zudem sah Bonn schon voraus, was die Propagandisten in Moskau und Ost-Berlin aus dem Einsatz von Bundeswehreinheiten in Südvietnam machen würden…

So wiegelte Erhard zunächst ab. Die Bundeswehr sei für Einsätze außerhalb der Nato schlicht nicht geeignet. Stattdessen versuchte er, durch wirtschaftliche Maßnahmen den Amerikanern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Auf Druck der USA brach man vielversprechende Handelskontakte mit dem kommunistischen China ab. Weitaus kostspieliger noch erwies sich die verborgene Hilfe für die amerikanische Währung, welche infolge der Kriegsbelastungen heftig unter Druck geraten war. Bis in die frühen siebziger Jahre stützte Bonn den Dollar durch umfangreiche Interventionen und half der amerikanischen Zahlungsbilanz durch kräftige Rüstungseinkäufe in den USA.

Auch engagierte man sich direkt in Südvietnam. Die Westdeutschen knüpften ein kompliziertes Netz technischer und humanitärer Hilfe für Saigon und avancierten (nach den USA) zum größten Geldgeber für die dortige Regierung. Das Hospitalschiff Helgoland, das 1966 ins Südchinesische Meer entsandt wurde und dort zwei Jahre lang Verwundete und Kranke versorgte, war die spektakulärste Geste, dazu kamen Ärzte des Deutschen Roten Kreuzes und der Malteser. So wahrte man das Grundprinzip der Bonner Politik: „Offizielles Personal“ sollte das umkämpfte Gebiet nicht betreten. Zudem versprach die Bundesregierung Saigon für die Zeit nach dem Krieg großzügige Aufbauhilfe. Der Sieg Nordvietnams und der Vietcong 1975 ersparte ihr allerdings dieses Opfer.

Und doch – es half alles nichts. Die Amerikaner waren sauer und blieben es. Als Johnson Anfang 1966 seinen Verteidigungsminister McNamara am Telefon fragte, ob die Deutschen denn nun endlich etwas Vorzeigbares zum Abwehrkampf der freien Welt in Vietnam beigetragen hatten, knurrte dieser nur: „Not a damned thing, except the hospital ship!“ – „Nicht das Geringste, nur dieses Krankenhausschiff!“ Auch im Kongress wurden die europakritischen Stimmen lauter. Es gebe keinen Grund, die von Amerika hochgepäppelten Europäer weiterhin mit einem teuren Militäraufgebot zu schützen, wenn diese jetzt ihre Freunde im Stich ließen. „Keiner unserer Verbündeten“, klagte der republikanische Senator Milton Young, „hilft uns bei der polizeilichen Überwachung der Welt. Im Gegenteil: Sie kritisieren uns!“

Diese Stimmung führte zu einer jahrelangen Kampagne im Kongress mit dem Ziel, die amerikanischen Truppen aus Europa abzuziehen. Zwar versicherte im Frühjahr 1968 der amerikanische Sicherheitsberater Walt Rostow dem CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Rainer Barzel, dass trotz des enormen Engagements in Vietnam und des Fehlens jeglicher Unterstützung aus Europa die USA keinen einzigen Soldaten abgezogen hätten. Dies stimmte jedoch nicht so ganz. Denn wie das US-Militär intern feststellte, zeigten sich die amerikanischen Europa-Truppen in einem katastrophalen Zustand – zu viele ausgebildete Spezialisten kämpften inzwischen in Vietnam.

Die Entfremdung zwischen den USA und der Bundesrepublik wuchs. Berichte über Kriegsgräuel wie das Massaker von My Lai im März 1968, bei dem 500 vietnamesische Zivilisten von GIs ermordet wurden, schockierten die Öffentlichkeit. Längst hatte der Protest gegen den Vietnam-Krieg die Straße erreicht, und nicht nur am Rhein, überall in der westlichen Welt nahm das bisher so positive Nachkriegsbild einer wohlwollenden und im Prinzip friedenswahrenden USA irreparablen Schaden.

Unterdessen trieben die amerikanischen Forderungen Bundeskanzler Erhard immer weiter in die Enge. Der Konflikt mit den USA wurde schließlich sogar zum Anlass für seinen Sturz. Im Herbst 1966 musste er nach einem Besuch in Washington zurücktreten. Die Amerikaner hatten ultimativ Geld für ihre Truppen in Europa verlangt. Der durch Haushaltsquerelen ohnehin geschwächte Kanzler, der mit dem Vorsatz, einen Zahlungsaufschub zu erreichen, über den Atlantik geflogen war, überlebte diese Demütigung durch seinen „Freund“ Johnson politisch nicht.

Konservative Kritiker wie der greise Konrad Adenauer oder der starke Mann der CSU, Franz Josef Strauß, befürchteten, dass sich Washington mit Moskau zulasten der Westdeutschen verständigen könnte, um so den Rücken für Vietnam frei zu bekommen. Befürchtungen, die nicht aus der Luft gegriffen waren. Denn in jenem Jahr 1966 hatten die beiden Supermächte Gespräche über einen Nichtverbreitungsvertrag für Atomwaffen aufgenommen. Das Abkommen sah vor, dass auch Bonn der Besitz von Kernwaffen untersagt blieb. Daraufhin warf Erhards Nachfolger, der Christdemokrat Kurt-Georg Kiesinger, den USA eine „atomare Komplizenschaft“ mit der UdSSR vor. Und Adenauer, der Johnson schon im August 1966 geraten hatte, in Vietnam nicht länger „die Suppe auszulöffeln, die Kennedy ihm eingebrockt“ habe, verstieg sich polemisch zu einem „Morgenthauplan im Quadrat“.

Aber auch in der SPD, unter Kanzler Kiesinger in einer großen Koalition erstmals an der Regierung beteiligt, breitete sich Unruhe aus. Noch nicht allzu lange war es her, dass die Partei auf dem legendären Parteitag in Bad Godesberg (1959) ihren Frieden mit der Westintegration der Bundesrepublik gemacht hatte. Ihre mühsam erworbene Glaubwürdigkeit als Gesprächspartner der USA sollte jetzt nicht durch zu laute Kritik gefährdet werden. Doch die Protestbewegung gegen den Krieg reichte inzwischen bis weit in die eigenen Reihen hinein. Das Schweigen der SPD-Oberen war nicht länger durchzuhalten. Schließlich distanzierte sich die Parteiführung unter Willy Brandt öffentlich von der amerikanischen Politik, und Anfang 1968 forderte der Bundesparteitag ein Ende aller militärischen Aktivitäten in Vietnam.

Ein neuer Schub für Europa

Als im März 1968 die so genannte Tet-Offensive des Vietcong (bei der auch mehrere deutsche Ärzte in der Nähe von Hué ums Leben kamen) die Weltöffentlichkeit überraschte und zeigte, dass der Krieg für die USA nur noch unter größten Opfern zu gewinnen war, brach die mühsam gewahrte verbale Solidarität in Deutschland endgültig zusammen. Dies hatte weitreichende politische Konsequenzen. Je mehr der Hauptverbündete in den Sümpfen Vietnams versank, desto stärker richtete sich das Augenmerk der deutschen Politik auf Paris. Bonn wandte sich wieder ganz der Europäischen Gemeinschaft zu, sie galt es jetzt zu stärken.

Und tatsächlich: Nach dem Abgang de Gaulles 1969 gelang der europäischen Integrationspolitik ein gewaltiger Sprung nach vorn. 1973 trat London der EG bei, ein gemeinsamer Agrarmarkt entstand, der Airbus und weitere Großprojekte wurden auf den Weg gebracht, eine zukünftige europäische Währung wurde beschlossen und zu guter Letzt eine engere Koordination der Außenpolitik vereinbart. Bei weitem nicht alle Hoffnungen gingen in Erfüllung, aber innerhalb kürzester Zeit veränderte Europa seine Gestalt.

Eine vergleichbare Dynamik könnte auch jetzt in Gang kommen. Zwar scheint der „Brief der Acht“ zu zeigen, dass die Irak-Frage die Europäer mehr spaltet als eint. Aber die in schwerst bedenkenträgerischen Leitartikeln geäußerte Sorge, Europa könnte „auseinander brechen“, dürfte übertrieben sein. Bemerkenswert ist nämlich – ganz wie zu Zeiten des Vietnam-Kriegs – die Einhelligkeit der öffentlichen Meinung in so gut wie allen europäischen Ländern, und es fragt sich, wie lange die Bush-freundlichen Regierungen diesem Druck standhalten. Ähnlich wie der Vietnam-Krieg könnte, auf lange Sicht, der Irak-Konflikt der Union neuen Schwung verleihen – vielleicht sogar endlich, wer weiß, den entscheidenden Anstoß für eine gemeinsame Außenpolitik.  

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27.03.03 13:19

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28.03.03 09:27

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28.03.03 09:37
Saddam: 60.000 "Fedajin" gegen die alliierten Truppen

Was der Reporter der "New York Times" seinen Lesern am Dienstag über Kämpfe in der Stadt Nasirija berichtete, muss in den USA böse Erinnerungen geweckt haben: "Irakische Guerillas sprangen aus Bussen, Lastern und Taxen, um an der Schlacht teilzunehmen." "Ambush Alley", Allee der Hinterhalte nannten die US-Marines die Einfallstraße in die kleine Stadt, deren Einnahme mindestens zehn von ihnen das Leben kostete. Unter anderem, weil sie erst zwischen Zivilisten und feindlichen Soldaten unterscheiden konnten, als es zu spät war.


Möglichst viele Opfer auf der anderen Seite

Christian Mölling, am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Hamburger Universität auf die Erforschung von hochtechnologischer Kriegsführung und deren Widerständen spezialisiert, sieht darin den ersten handfeste Beleg dafür, dass die irakische Führung ganz ähnliche Ziele mit ähnlichen Methoden verfolgt wie vor drei Jahrzehnten das kleine Nordvietnam:

"Sie wollen möglichst viele Opfer auf der anderen Seite produzieren und dann vor allem auch präsentieren." Symbolische Erfolge wie in Nassarija sollten in der eigenen Region Sympathien durch den Effekt "David contra Goliath" bringen und in den USA die Gegnerschaft gegen den Krieg wegen der hohen Opfer stärken.


Vietnam-Taktik

Damit scheine das irakische Regime trotz seiner maßlosen Brutalität durchaus rationale Kriegsziele zu verfolgen, meint Mölling, der auch deshalb den Einsatz chemischer Kampfstoffe für unwahrscheinlich hält. "Saddams Strategie geht davon aus, die Kriegsdauer so weit wie möglich zu verlängern, so die politischen Kosten für die Amerikaner zu hoch werden zu lassen und sie letztlich zum Rückzug zu zwingen."

Diese Elemente gehörten Anfang der siebziger Jahre zu den ausschlaggebenden Hintergründen für die Niederlage der USA in Vietnam.


Was macht die Bevölkerung?

Es sei noch zu früh für eine endgültige Antwort auf die Frage, ob die irakische Führung in dem offenen Wüstenland ohne Schutz für Guerilla-Kämpfer wie in Vietnam durch extrem schwer zugänglichen Dschungel eine dauerhafte Front für diese Form von Krieg aufbauen kann. "Klar ist aber, dass Saddam Husseins Regime mit dem Häuserkampf auf die geschickteste Strategie setzt, weil das am verlustreichsten für die Amerikaner wird."

Für die größte noch unsichere Variante hält Mölling dabei die für den Erfolg von "Stadtguerillas" äußerst wichtige Haltung der Zivilbevölkerung.

Die "New York Times" zitierte zu dieser Frage aus Nasirija den Krankenhaus-Angestellten Mustafa Mohammed Ali mit dem Satz, er sei nun total gegen die US-Invasion, nachdem er mit eigenen Augen gesehen habe, wie die Angreifer Zivilisten bombardiert hätten. Ansonsten habe er nichts für das Regime von Saddam übrig.


60.000 "zum Opfertod bereit"

Dass es eine militärische Infrastruktur als Grundlage für anhaltende Guerillakämpfe im Irak gegen westliche Besatzer gibt, dürfte nach allen vorliegenden Berichten über die Struktur der Streitkräfte außer Frage stehen. Auf bis zu 60.000 Mann Stärke werden die Einheiten der "Fedajin" ("Die zum Opfertod Bereiten") geschätzt.

Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) wies in einem Bericht über die Struktur der "Fedajin" am Dienstag auch auf tief verwurzelte Traditionen für die Taktik des Guerilla-Angriffs hin: Der Engländer Lawrence von Arabien haben sie hier heimisch gemacht, als er 1917 mit seinen Kriegern den "klassischen" Überfall der Beduinen zu einer modernen Guerilla-Taktik gegenüber den im Rückzug befindlichen Türken verfeinerte.

(N24.de, dpa)  

95441 Postings, 8516 Tage Happy EndRumsfeld und Clausewitz

 
  
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30.03.03 13:18
Die Amerikaner passen sich den Widrigkeiten im Irak trotz Rückschlägen bis jetzt erstaunlich gut an. Wie gut wird sich in Basra zeigen

Die Amerikaner, daran zweifelt wahrscheinlich nicht einmal der irakische Informationsminister, werden den Krieg im Irak gewinnen. Die Frage ist nur, wie. Gut zehn Tage nach Beginn der "Operation Irakische Freiheit" ist der anfänglich schnelle Vormarsch der Alliierten vor Bagdad ins Stocken geraten. Die massiven Bombenangriffe der USA scheinen Saddam Husseins Mannen anders als erhofft weder "Schock" noch "Ehrfurcht" einzuflößen. Fanatische Fedajien Saddam Husseins und andere irakische Truppen greifen die Nachschubwege der vorrückenden anglo-amerikanischen Streitkräfte an. Außer Umm Qasr konnte noch keine der wichtigen irakischen Städte "befreit" werden. In Basra wollen die Getreuen Saddams die Alliierten in einen blutigen Häuserkampf verstricken, in dem die Luftüberlegenheit der High-Tech Krieger weitgehend neutralisiert wird. Von Bagdad ganz zu schweigen.

Auf den ersten Blick scheint der Kriegsverlauf im Irak damit dem "alten Europa" Recht zu geben. Und zwar dem ganz alten Europa des 19. Jahrhunderts. Genauer dem preußischem General von Clausewitz. "Die Strategie ist das erste Opfer eines jeden Krieges" hatte der Großstratege zukünftige Feldherren dereinst vor zu großem Vertrauen in ihre Pläne gewarnt. Augenscheinlich eine Lektion, die in der unilateralen "wir-können-alles-sofort" Hybris der Strategen im Pentagon untergegangen ist. Doch, auch wenn es nicht so scheinen mag - die zivilen wie uniformierten Kriegsherren kennen ihren Clausewitz.

Die amerikanische Kriegsstrategie, so viel ist bekannt, ruht auf drei Säulen: Schnelligkeit, High-Tech und Psychologie. Schnell vorrückende Truppenverbände sollen den Feind überrumpeln, an die Wand drücken und das taktische Moment gewinnen. High-Tech-Gerät, hauptsächlich im Luftkrieg, soll den Gegner präzise treffen, ihn "blind stumm und taub" machen und das Regime enthaupten, dabei aber die Zivilbevölkerung schonen. Die wichtigste Säule aber ist das psychologische Moment, in jedem Wohnzimmer bekannt geworden als "shock and awe" - "Schock und Ehrfurcht". Schnelligkeit und Präzision des Angriffs sollten dem Diktator und seinen Getreuen die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage aufzeigen. Gleichzeitig sollten die Anglo-Amerikaner der irakischen Zivilbevölkerung als Befreier erscheinen. Soweit die Theorie.

In der Praxis ist aus Sicht der Planer im Pentagon einiges schief gegangen: Vollkommen unerwartet versagten die Türken ihren amerikanischen Verbündeten den fest eingeplanten Truppenaufmarsch und verhinderten so, zumindest anfangs, eine Nordfront. Der spontane Bombenangriff auf Saddam Hussein zwang die Alliierten ihren Bodenangriff vorzuziehen. Überraschend starke Gegenwehr im Süden des Landes band mehr Truppen als eingeplant, während der Nachschub von der türkischen Mittelmeerküste durch den Suezkanal schipperte.

Zweifelsohne ist die Lage aus Sicht der Koalition enttäuschend (Besonders für jene Propheten aus dem Dunstkreis der US-Regierung, die von einem problemlosen Einzug amerikanischer Befreier unter dem Jubelgeschrei blumenwerfender Iraker faselten). Doch trotz aller Probleme können die Alliierten respektable Ergebnisse vorweisen: Ihre Truppen stehen vor Bagdad, Basra und allen anderen wichtigen Städten. Der wichtige Hafen von Umm Qsar ist in ihrer Hand. Die strategisch bedeutenden westirakischen Flugfelder H2 und H3 sind besetzt, das Risiko eines irakischen Vergeltungsangriffs auf Israel dadurch minimiert. Die südlichen Ölfelder sind - größtenteils unversehrt - gesichert. Eine Nordfront gibt es mittlerweile auch, wenn auch kleiner und später als geplant.

All das in gut zehn Tagen ist durchaus eine Leistung. Der Irak mag ein Dritte-Welt-Land sein, aber seine Armee kämpft nicht mit Pfeil und Bogen, sondern mit jenen sowjetischen Panzern, die einst über die norddeutsche Tiefebene bis zum Atlantik rollen sollten. Hinzu kommen diverse Spezialeinheiten mit bis zu 100 000 Mann, die ihr Schicksal auf Gedeih und Verderb mit dem Fortbestand des totalitären Systems verknüpft haben.

Mitverantwortlich für die erreichten, bescheidenen, Erfolge scheint die neue Flexibilitätsdoktrin des US-Verteidigungsministers Donald Rumsfeld - die Antithese zum Krieg à la Clinton. Die Beinahe-Blamage im Kosowo-Krieg galt Rumsfeld und den Seinen als Paradebeispiel für die luftwaffenvernarrte Kampagne übervorsichtiger Militärs jener verhassten Jahre. War die Fähigkeit, sich rasch neuen Umständen anzupassen im Afghanistan-Feldzug noch mehr oder minder notgedrungen, wurde sie in den monatelangen Planungen des Waffengangs gegen den Irak zur conditio-sine-qua-non jedes möglichen Angriffsszenarios erkoren.

Erstaunlich schnell reagierten die Truppen auf einen Kriegsverlauf, den sie - allen Dementis zum Trotz - so nicht erwartet hatten. Obschon die alliierte Streitmacht auf erheblichen Widerstand traf, halten sich die eigenen Verluste in Grenzen - und das ohne von den restriktiven rules of engagement abzurücken. Die schreiben etwa den Truppen außerhalb des direkten Kampfgeschehens vor, nur dann zu schießen, wenn sie zuerst beschossen werden. Auch das taktische Moment liegt nach wie vor in der Hand der Alliierten. Die Nachschubwege scheinen gesichert. Schon der Versuch einer irakischen Gegenoffensive bei Basra konnte im Keim erstickt werden.

Dennoch könnte die Flexibilität bald an ihre Grenzen stoßen. Der Testfall könnte - gerade für die psychologische Komponente der alliierten Strategie - Basra werden. Zum einen droht dort eine humanitäre Katastrophe, wenn die Stadt nicht bald "befreit" und somit internationalen Hilfslieferungen zugänglich gemacht wird. Auch dürfte gerade die Reaktion der dortigen schiitischen Mehrheit auf ihre "Befreiung" durch die alliierten Truppen Signalwirkung haben. Andererseits deuten Berichte darauf hin, dass die regimetreuen Truppen in der Stadt sich nicht ohne blutigen Häuserkampf ergebenen werden.

Vor Basra stehen aber hauptsächlich Royal, nicht U.S. Marines. Rumsfelds Flexibilitätsdoktrin erhält so ihre Feuertaufe durch die Briten, deren Armee durch jahrzehntelangen Häuserkampf in Nord-Irland geübt ist.

(c) DIE ZEIT 14/2003  

1059 Postings, 8694 Tage mikelandau@happy

 
  
    #6
30.03.03 13:28
hat dich heute wieder der copy-paste virus befallen?

nur zur erinnerung...der vietnamkrieg wurde von deinem sicherlich vielgeliebten
freund kennedy angezettelt...;-)  

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