El Dschasira statt CNN
Seite 1 von 1 Neuester Beitrag: 24.02.03 16:44 | ||||
Eröffnet am: | 24.02.03 16:02 | von: Happy End | Anzahl Beiträge: | 3 |
Neuester Beitrag: | 24.02.03 16:44 | von: BRAD PIT | Leser gesamt: | 581 |
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«Arnett ist einer, der seine große Zeit schon hinter sich hat», meint ein irakischer Kameramann. Heute ist Diar el Omari, der Bürochef des arabischen Nachrichtenkanals El Dschasira aus Katar, der «Leithammel», an dessen Berichten sich die Journalisten aus aller Welt orientieren, die jeden Tag vom Pressezentrum des Informationsministeriums in Bagdad ausschwärmen. Unter den strengen Blicken der Geheimdienstmitarbeiter suchen sie nach einem Stückchen irakischer Wirklichkeit.
Jeden Tag eine neue Gratwanderung
El Omari setzt vor der Kamera stets eine eiserne, fast unfreundliche Miene auf, ähnlich wie die Sprecher des irakischen Staatsfernsehens. Viel zu lachen hat er ohnehin nicht, da die Berichterstattung aus dem Reich von Präsident Saddam Hussein für ihn als irakischem Staatsbürger jeden Tag eine neue Gratwanderung ist. Zwar droht auch europäischen und amerikanischen Korrespondenten die Ausweisung aus dem Irak, wenn sie über eine kleine Demonstration berichten, die nicht von Saddams Funktionären organisiert wurde. Doch El Omari entzog die irakische Führung vergangenes Jahr sogar vorübergehend die Arbeitserlaubnis, nur weil er in einem Bericht «der irakische Präsident» gesagt hatte, ohne den Namen des allmächtigen Staatschefs zu erwähnen.
«Wenn der Krieg anfängt, dann werde ich natürlich El Dschasira einschalten, weil die gute Korrespondenten haben und die Nachrichten so verbreiten, wie sie sind - ohne Propaganda», meint Mohammed Nazer, ein pensionierter Finanzbeamter in Kairo. Eiman Mansur, ein ägyptischer Philosophie-Student, hat dagegen gar keinen Satellitenempfänger und will auch keine Bilder von einem Krieg sehen, den er ablehnt, aber nicht verhindern kann. Lieber hört er die Radionachrichten der BBC auf Arabisch.
Im Westen hat sich El Dschasira durch die Ausstrahlung von Botschaften des Terroristenchefs Osama bin Laden einen zweifelhaften Ruhm erworben. Während der amerikanischen Militäraktion in Afghanistan machte der Nachrichtenkanal weltweit von sich reden, weil er als einziger Sender noch einen Korrespondenten in Kabul hatte.
Das arabische Publikum schätzt den Sender vor allem wegen seiner kontroversen Talk-Shows und seiner umfassenden Berichterstattung zum Nahost-Konflikt. El Dschasira interviewt als einziger arabischer Sender regelmäßig israelische Politiker und zeigt jeden Tag ohne Erbarmen die Bilder von zerstörten Häusern im Westjordanland, von getöteten Palästinensern und ihren weinenden Müttern. El Dschasira berichtet auch live aus der Knesset und bringt ausführliche Berichte über Selbstmordattentate in Israel.
Sender bei den Regierungen extrem unbeliebt
Da bei El Dschasira auch Exil-Oppositionelle und andere «Störenfriede» zu Wort kommen, die in der arabischen Welt sonst keine Stimme haben, ist der Sender bei den Regierungen der Region extrem unbeliebt. Bahrain duldet keine El-Dschasira-Korrespondenten mehr im Land. Saudi-Arabien verweigerte dem Sender dieses Jahr eine Erlaubnis für die Berichterstattung über die Pilgerzeremonie in Mekka. Die Tatsache, dass die kuwaitische Regierung das Büro des Senders in ihrem Land im vergangenen November wegen «nicht objektiver Berichterstattung» schließen ließ, werteten viele Beobachter als Vorbereitung auf einen bevorstehenden Irak-Krieg.
Um das Meinungsmonopol von El Dschasira aufzubrechen, wollen die Saudis nun mit einem eigenen Fernsehkanal namens «El Arabija» kontern, der nur Nachrichten sendet. Doch El Dschasira ist schon einen Schritt weiter. Ende des Jahres will die Redaktion mit Programmen in englischer Sprache beginnen, um die Sichtweise der Araber auch einem westlichen Publikum zugänglich zu machen.