Window-Dressing kann noch zur Rally führen...


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Neuester Beitrag: 11.12.00 09:58
Eröffnet am:11.12.00 09:58von: DarkKnightAnzahl Beiträge:1
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34698 Postings, 8647 Tage DarkKnightWindow-Dressing kann noch zur Rally führen...

 
  
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11.12.00 09:58
..aber wohl kaum in Europa:

Gemeinhin versteht der Eingeweihte, spricht er von einer Jahresschlussrally, einen den Gesamtmarkt erfassenden Kursaufschwung, der etwa Mitte November einsetzt. In diesem Jahr wurde jedoch jede erwartete signifikante Erholung nach der scharfen Korrektur vom Frühling bereits im Keim erstickt. So hatten die meisten Beobachter auch die Hoffnung auf eine starke Aufwärtsbewegung zum Jahresende bereits begraben, nachdem die Rahmenbedingungen sich lange Zeit kaum zu verbessern schienen. Nimmt das Trübsalblasen aber überhand, ist in der Regel die Trendwende nicht weit. Aus den USA kommende Zinssenkungsfantasien, ein absehbares Ende des Streits um den Wohnsitz Weißes Haus sowie die Erholung der Nasdaq könnten nun das nötige Kurspulver bilden.

Drei Wochen bleiben den Fondsmanagern noch, mittels Window Dressing - also dem Schönen der Portfolio-Entwicklung durch stark kursbeeinflussende Kaufaufträge unmittelbar vor dem Bilanzstichtag und Verkauf von Underperformern - ihre Kapitalgeber zu beruhigen. Zu traurig war in den vergangenen Monaten die Kursentwicklung. In der Berichtswoche konnten nach heftigem Auf und Ab die Blue Chips des Alten Kontinents etwas zulegen. Der Euro-Stoxx-50 stieg über die Woche bis Freitag, 18.40 Uhr, um 1%; der Stoxx-50 kletterte um 0,9%. Neben der sich abzeichnenden Bodenbildung des Nasdaq Composite, der am Dienstag mit einem Anstieg um 10,5% den höchsten Tagesgewinn seiner Geschichte verzeichnete, sorgten Aussagen von US-Notenbankchef Alan Greenspan, die von Händlern als Hinweis auf eine bald beginnende Zinssenkungsrunde in den Staaten interpretiert wurden, für eine langsame Rückkehr des Anlegervertrauens und steigende Kurse, die das Ende der Talfahrt an den Aktienmärkten einleiten könnten. Für diese Annahme sprechen auch die steigenden Handelsvolumina. Die Konjunkturabschwächung in den USA sei zwar für sich gesehen negativ, doch steige damit die Möglichkeit einer Entspannung an der Zinsfront. Und dies sei in der jetzigen Börsenphase der wichtigere Aspekt, so die gängige Meinung. Selbst die Gewinnwarnungen von Apple und Motorola lösten nur relativ moderate Einbußen aus.
"Dabbeljuh" kurz vor dem Ziel
Unterschiedlich wirke sich die jüngste Schwäche des Dollar aus: Einerseits trage dies zum wieder zunehmenden Vertrauen in die europäische Wirtschaft und die Dividendenpapiere bei, andererseits sei dies negativ für die exportorientierten Branchen. Darüber hinaus zeichnet sich ein Ende des belastenden Tauziehens um die US-Präsidentschaft ab, nachdem verschiedene Entscheidungen amerikanischer Gerichte einen Sieg von George W. Bush immer wahrscheinlicher werden lassen.
Die Gewinnerliste unter den Stoxx-Branchenindizes führten die Technologiepapiere an (+12,8%). Aufgrund der festen Nasdaq-Eröffnung sprang das Kursbarometer allein am Dienstag um 9%. Die Technologiewerte profitierten auch von Nokia (+13,6%). Der finnische Mobilfunkausrüster dehnte seine Prognose für das jährliche Umsatzwachstum (zwischen 25 und 35%) bis auf das Jahr 2003 aus. Wochengewinner Alcatel haussierten um 23,2%. Der Telekommunikationsausrüster gab bekannt, dass man durch eine Reihe von Einsparungen und Restrukturierungen in den kommenden Jahren deutlich profitabler werden wolle. Das Wochenplus von 8,4% bei Siemens führten Händler auch auf die für Mitte Dezember angekündigten Geschäftszahlen zurück.
Die Banken entwickelten sich uneinheitlich. Unicredito Italiano (-6,2%) waren von Merrill Lynch von der Empfehlungsliste gestrichen und durch Banca Intesa ersetzt worden. Banco Santander Central Hispano (BSCH) erholten sich um 4,7% und Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (BBVA) um 1,1%. Die spanischen Finanztitel waren zuletzt wegen der kritischen Entwicklung der Staatsfinanzen in Lateinamerika erheblich unter Druck geraten. Nach Kursverlusten zu Wochenbeginn infolge der Ankündigung, den Konzern ab kommenden Februar neu organisieren zu wollen, erholten sich Deutsche Bank und schlossen den Berichtszeitraum mit einem respektablen Plus von 6% ab.
Eni geraten mehrfach unter Druck
Unter den größten Wochenverlierern fanden sich Unilever (-6,7%). Der Konsumgüterkonzern emittierte zur Finanzierung der Übernahme von Bestfood Anleihen in US-Dollar und Pfund Sterling, was sich kursbelastend ausgewirkt habe, erklärten Beobachter. Auch Enel (-5,1%) und Eni (-6,2%) gehörten zu den Verlierern. Die italienische Regierung hatte bekannt gegeben, sich von 5% des Eni-Kapitals und von 10% des Enel-Kapitals trennen zu wollen. Der Staat hält derzeit 35,33% am Ölkonzern Eni und 68,26% am Versorger Enel. Eni wurden Händlern zufolge auch durch den fallenden Ölpreis und den rückläufigen Dollar belastet. TotalFinaElf fielen um 5,2%. Die Abstufung des gesamten Ölsektors durch UBS Warburg sei ein schwerer Schlag für den französischen Wert gewesen, meinten Händler.
Vivendi (+4,7%) profitierten von einer Ankündigung des Vorstandschefs, wonach der Verkauf des 55-prozentigen Anteils an der America-Online-Tochter AOL France nahezu abgeschlossen sei. Weitaus mehr Aufmerksamkeit erregte jedoch die Zustimmung der jeweiligen Hauptversammlungen von Vivendi, Canal Plus (+6%) und der kanadischen Seagram zum Zusammenschluss der Unternehmen zu Vivendi Universal. Als Folge der Fusion wird Volkswagen ab kommenden Montag den Platz von Canal Plus im Euro-Stoxx-50 einnehmen.
Die wohl wichtigste Entscheidung dieser Tage wird an diesem Wochenende veröffentlicht. Morgan Stanley Capital International (MSCI), der weltweit führende Index-Anbieter, will am Sonntag den Beschluss über einen möglichen Wechsel zum so genannten Free-Float-Ansatz bekannt geben. Bislang werden bei der Gewichtung der Unternehmen in den MSCI-Indizes alle zum Börsenhandel zugelassenen Aktien berücksichtigt. Zuletzt hatten jedoch wichtige Wettbewerber ihre Indizes bzw. die zugrunde liegenden Kapitalisierungen auf den Streubesitz umgestellt bzw. den Wechsel angekündigt. Vor allem Index-Tracker hatten diese Entscheidung gefordert, da es durch nicht berücksichtigte hohe Festbesitzanteile zu künstlichen Kurssteigerungen komme, so die Begründung. Index-Kenner gehen davon aus, dass MSCI seine Kursbarometer bei einem Wechsel nicht schlagartig umstellen wird. Den Investoren dürfte eine Übergangsfrist oder Vorbereitungszeit eingeräumt werden, um die fälligen Umschichtungen marktverträglich zu gestalten.
Wie zu hören war, ging die Kundenbefragung von MSCI über die künftige Gewichtungsermittlung klar zugunsten des Streubesitzansatzes aus. In Marktkreisen kursieren daher Schätzungen über die Transaktionsvolumina, die ein Wechsel von MSCI auf den Free Float auslösen würde. Insgesamt seien die MSCI-Indizes die Benchmark für rund 4000 Mrd. Dollar, heißt es. Rund 200 Mrd. Dollar stünden im Fall eines Wechsels zum Streubesitzansatz zur Disposition, so die am häufigsten geäußerte Ansicht unter Marktkennern. Unstrittig ist, dass die Schwere nordamerikanischer und britischer Werte zulasten von kontinentaleuropäischen und asiatischen - insbesondere japanischen - Titeln in dem Welt-Index zunehmen wird. Wie schon bei Stoxx und FTSE werden teilprivatisierte Telekommunikationsunternehmen und Versorger sowie einige Finanztitel an Gewicht verlieren, während unter anderem Technologie- und Ölwerte an Einfluss gewinnen.
Börsen-Zeitung, 9.12.2000

 

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