SALT LAKE CITY: Bayer jagt Dopingsünder


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95441 Postings, 8513 Tage Happy EndSALT LAKE CITY: Bayer jagt Dopingsünder

 
  
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09.02.02 22:21
Bei den Winterspielen in Salt Lake City ist der Leverkusener Konzern exklusiv mit einem Gerät dabei, das Blutwerte von Sportlern misst

Salt Lake City / Leverkusen - Die Bayer AG ist Dopingsündern bei den Olympischen Winter-spielen in Salt Lake City exklusiv auf der Spur. Der Leverkusener Konzern hat weltweit als einziges Unternehmen ein Gerät entwickelt, mit dem es sicher möglich ist, bei Sportlern die Einnahme des Blutdopingmittels Erythropoetin (Epo) nachzuweisen. Das Gerät mit dem Namen Advia 120 ist im Stande, 120 Blutbilder in einer Stunde zu erstellen - eine enorm hohe Quote. Bereits bei den Sommerspielen in Sydney im Jahr 2000 wurde Advia 120 eingesetzt. Damals wurden 300 Epo-Kontrollen durchgeführt, alle negativ. Für den Kölner Doping-Experten Professor Wilhelm Schänzer ist das kein Grund zur Entwarnung. Der Leiter des Instituts für Biochemie an der Deutschen Sporthochschule zu Köln, das zugleich ein vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) anerkanntes Doping-Labor ist, rechnet in Salt Lake City mit neuen Epo-Vergehen. "Epo ist immer noch im Trend", sagt Schänzer im Gespräch mit der WELT am SONNTAG.

Somit ist Advia 120 während der Winterspiele eine gefragte Apparatur. Bis zu 600 Tests sind vorgesehen. In erster Linie werden die Ausdauersportler von den Dopingfahndern ins Visier genommen. Der Grund: Durch die Einnahme von Epo erhöht sich die Zahl der roten Blutkörperchen, der Transporteure von Sauerstoff, die Ausdauerfähigkeit nimmt zu. Mit einer Überprüfung müssen die Biathleten, die Nordischen Kombinierer, die Skilangläufer und die Eisschnellläufer rechnen.

Alle Tests laufen nach demselben Schema ab: Das dem Sportler entnommene Blut wird in das Gerät gefüllt. Per Laserlicht wird die Zahl der jungen (juvenilen) roten Blutkörperchen im Vergleich zu den alten (adulten) gezählt. Ist die Menge der jungen Blutkörperchen unverhältnismäßig hoch, kann von einem Epo-Missbrauch ausgegangen werden. Darüber hinaus kann mit Advia 120 auch das Epo-Nachfolgemittel "Novel Erythropoiesis Stimulating Protein", kurz NESP, nachgewiesen werden. NESP wirkt ähnlich wie Epo, hat aber eine drei Mal höhere Halbwertszeit von bis zu 50 Stunden. Finanziell rentiert sich der Einsatz von Advia 120 bei den Winterspielen nicht für Bayer. "Aber es ist für uns ein enormer Imagegewinn", sagt Hans Hiller, Leiter des Geschäftsfeldes Labordiagnostik. Und es ist eine exzellente Werbeplattform, die sich im Nachhinein auszahlen dürfte. Ein Gerät kostet nach Angaben von Hiller 120.000 Euro. In Deutschland werden bislang rund 200 Geräte in Labors eingesetzt, europaweit etwa 800, weltweit um die 2000.

Wie viel Bayer mit Advia 120 umsetzt, dazu will der Konzern keine Angaben machen. In der Regel werden mit den Labors aber nicht nur Verträge zum Kauf des Gerätes ausgehandelt. Auch Service und Wartung sind über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren inbegriffen. Fest steht, dass Advia 120 eine der Haupteinnahmequellen des Ge-schäftsbereichs Diagnostika darstellt. "Es ist eines unserer Spitzengeräte", schwärmt Hans Hiller. Entwickelt wurde es in Tarrytown im US-Bundesstaat New York, dem Hauptsitz von Bayer-Diagnostika. Hergestellt wird Advia 120 wie alle anderen Diagnostika-Geräte am Standort Dublin in Irland. Im Alltag wird das Gerät freilich nicht im Kampf gegen Doping angewandt. Haupteinsatzgebiete in der Medizin sind Onkologie, Anämie, Gynäkologie, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes. Advia 120 ist einer der Kassenschlager von Diagnostika, der kleinen Sparte, die zum Hauptgeschäftsbereich Gesundheit gezählt wird, und mit der Bayer in Zukunft Großes vorhat. "Das Diagnostika-Geschäft der Bayer AG ist bestens gerüstet für ein starkes künftiges Wachstum", prophezeit Rolf Classon, der Leiter von Diagnostika. Realisieren will er dies durch organisches Wachstum und durch Akquisitionen. Das Marktvolumen soll jährlich um sechs Prozent wachsen - von 19,8 Milliarden Euro im Jahr 2000 auf voraussichtlich 25,4 Milliarden Euro im Jahr 2005. Der Umsatz erhöhte sich allein zwischen 1996 und 2000 um 135 Prozent auf rund zwei Milliarden Euro. Weltweit beschäftigt Bayer-Diagnostika 7300 Mitarbeiter und rangiert mit einem Marktanteil von zehn Prozent in der Branche auf Rang vier.

Dabei soll es nicht bleiben, wofür insbesondere Advia 120 sorgen dürfte. Der nächste Coup nach dem Einsatz bei den Olympischen Spielen steht Bayer bereits ins Haus. Der Fußball-Weltverband FIFA hat angekündigt, bei der kommenden WM im Sommer in Südkorea und Japan erstmals Epo-Tests durchzuführen. Zwar gibt es nach Angaben von Bayer noch keinen Kontakt zur FIFA. Dennoch ist es wahrscheinlich, dass der Konzern mit Advia 120 in Asien zum Einsatz kommt, denn ein vergleichbares Gerät ist auf dem Markt nicht zu finden. Doch mit Advia wird Bayer wohl noch weitere Kreise ziehen. Sollte sich die FIFA für die Bayer-Apparatur entscheiden, wird voraussichtlich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) nachziehen und demnächst Epo-Tests in der Fußball-Bundesliga durchführen. "Bislang haben wir immer die Doping-Regeln der FIFA übernommen", bestätigt Bettina Sittinger vom DFB auf Nachfrage von WELT am SONNTAG. Es gebe keinen Grund, warum das nicht auch in Zukunft so sein sollte.


Blutdoping mit Epo und NESP

Mit dem Begriff Blutdoping werden Methoden zur künstlichen Erhöhung der Hämoglobinkonzentration im Blut umschrieben. An das Hämoglobin der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) werden in der Lunge Sauerstoffmoleküle gebunden, sodass eine Vermehrung von Hämoglobin zu einer verbesserten Sauerstoffaufnahme führt. Damit nimmt die Ausdauerfähigkeit zu. Zwei Produkte werden beim Blutdoping angewandt: Epo und das vom US-amerikanischen Pharma-Giganten Amgen hergestellte NESP. Bei falscher Dosierung besteht die Gefahr einer Thrombose und damit eine tödliche Bedrohung. Zweifelhafte Berühmtheit haben Epo und NESP im Radsport erlangt. Bei der Tour de France kam es erstmals 1998 zu einem großen Skandal, als unter den Teilnehmern eine Reihe von Epo-Vergehen aufgedeckt wurde. Bei der letzten Spanien-Rundfahrt Vuelta sollen Radprofis italienischen Medienberichten zufolge mit NESP experimentiert haben.
 

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