Ratgeber für Arbeitslosenhilfeempfänger


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Neuester Beitrag: 23.08.03 12:04
Eröffnet am:23.08.03 12:04von: NassieAnzahl Beiträge:1
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23.08.03 12:04
Darf ich mein Haus behalten?
Arbeitslosenhilfe: Welches Vermögen vom Arbeitsamt angerechnet wird und welches nicht.

Von Volker Mester

Hamburg - Die Arbeitsämter steuern auf einen neuen Rekord zu. Gemeint ist hier aber nicht die Zahl der Arbeitslosen: In diesem Jahr werden viel mehr Anträge auf Arbeitslosenhilfe als je zuvor abgelehnt, weil die Antragsteller als zu vermögend gelten. Bis Mai - neuere Zahlen hat die Bundesanstalt für Arbeit nicht - kam dies 30 000-mal vor, so häufig wie sonst in einem ganzen Jahr.

Ursache dafür ist eine Änderung der Arbeitslosenhilfe-Verordnung zum 1. Januar 2003, die das so genannte Schonvermögen drastisch reduziert. Bis dahin galt ein Freibetrag von 520 Euro pro Lebensjahr, für einen 45 Jahre alten Arbeitslosen waren das 23 400 Euro. Mit der neuen Regelung wurde dieser Freibetrag auf nur noch 200 Euro je Lebensjahr gekürzt - der 45-Jährige darf höchstens noch Vermögenswerte von 9000 Euro besitzen.

Zu den betroffenen Vermögenswerten zählt auch die private Altervorsorge wie eine Lebens- oder Rentenversicherung. Übersteigt der so genannte Rückkaufswert eines Lebensversicherungsvertrages den Freibetrag, dann zahlt das Arbeitsamt nicht. Zur Beurteilung herangezogen wird auch das Vermögen des Ehegatten oder des Partners, mit dem der Arbeitslose in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt.

Alles was über den Freibetrag hinausgeht, muss im Prinzip erst "versilbert" und ausgegeben werden, bevor die Arbeitslosenhilfe bewilligt wird. "Ich finde das falsch - es konterkariert die Bemühungen um eine private Vorsorge", sagt Edda Castello´ von der Verbraucher-Zentrale Hamburg zu der Neuregelung. Hier einige Punkte, die man nach Angaben der Verbraucherschützer beachten sollte:

Ältere nicht betroffen

Die neuen Bestimmungen gelten nicht für ältere Arbeitslose. Wer bis zum 1. Januar 1948 geboren wurde, also jetzt 55 Jahre oder älter ist, kann sein geschütztes Vermögen nach der alten Formel (520 Euro pro Lebensjahr) berechnen. Das wäre für einen 55-Jährigen immerhin 28 600 Euro.

Wer noch geschont wird

Arbeitnehmer, die von der Versicherungspflicht befreit sind (das betrifft vor allem "besser verdienende" Angestellte, die sich früher einmal befreien lassen konnten, sowie bestimmte Mitglieder von berufsständischen Versorgungseinrichtungen) und ersatzweise in eine Lebens- oder Rentenversicherung eingezahlt oder anderes Vermögen für die Altersvorsorge anspart haben, werden von der neuen Regelung nicht erfasst. Die genannten Vermögenswerte bleiben unberücksichtigt.

Eigenheim geschützt

Im Prinzip wird das selbst bewohnte Eigenheim oder die Eigentumswohnung geschont. Das gilt aber nur, solange das Arbeitsamt die Immobilie für angemessen hält. Unproblematisch ist das bei einer Wohnfläche von bis zu 130 Quadratmetern. "Im Übrigen richtet sich die Angemessenheit nach den Lebensumständen im Einzelfall, insbesondere der Zahl der im Haushalt lebenden Personen", heißt es in den Anweisungen der Bundesanstalt für Arbeit an die Arbeitsämter.

Bei der Grundstücksfläche werden 500 Quadratmeter "im städtischen Bereich" und 800 Quadratmeter in ländlichen Regionen üblicherweise als angemessen erachtet - im Einzelfall auch mehr, sofern dies in Bebauungsplänen festgelegt ist.

Damit kann der Kauf eines Eigenheims für bis zu 54 Jahre alte Arbeitslose - und für Menschen, die befürchten müssen, arbeitslos zu werden - sinnvoll sein. Das gilt aber nur dann, wenn die jahrzehntelange Zins- und Tilgungsbelastung auch durchgehalten werden kann.

Versicherung auflösen

70 Prozent aller Arbeitnehmerhaushalte haben eine Kapitallebensversicherung. Grundsätzlich müssen Lebensversicherungen aufgelöst werden, wenn der Rückkaufswert den Freibetrag übersteigt. Aber: Eine "offensichtlich unwirtschaftliche" Verwertung wird dem Arbeitslosen dabei nicht zugemutet. Üblicherweise muss ein Verlust von bis zu zehn Prozent aber hingenommen werden.

Ein Beispiel: Wurden in eine Lebensversicherung 14 000 Euro eingezahlt, beträgt der Rückkaufswert aber nur 12 000 Euro, dann dürfte eine Kündigung nicht gefordert werden. In jedem Fall empfehlen die Verbraucherschützer, mit dem vorhandenen Vermögen mögliche Schulden zu tilgen.

Andere Vermögenswerte

Ein "angemessenes" Auto oder Motorrad wird nicht als Vermögen berücksichtigt. Zweitfahrzeuge aber sind "verwertbar", so das Arbeitsamt. Gleiches gilt für luxuriösen Hausrat.

Riester-Rente

Kompliziert ist die Berücksichtigung der Riester-Rente. Bei der Berechnung des Freibetrages wird einerseits alles, was auf einem Riester-Sparvertrag liegt, abgezogen. Beispiel: Hat ein 40-Jähriger 800 Euro auf einen Riester-Vertrag angespart, so bleiben andere Sparverträge nur noch bis zu einer Höhe von 7200 Euro unangetastet (40 Jahre mal 200 Euro minus 800 Euro). Aber andererseits: Hat er auf einem Riester-Vertrag 12 000 Euro angespart und sonst keine anderen Ersparnisse, bleibt dieses Vermögen bei der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe außer Betracht. Nur: Derartig hohe Beträge sind jetzt, im zweiten Jahr der Riester-Rente, noch völlig unrealistisch.

Verstecken nützt nichts

Zwar ist es im Prinzip möglich, Werte auf Angehörige zu übertragen - nicht aber auf den Ehe- oder Lebenspartner, weil dessen Vermögen angerechnet wird. Die Verbraucher-Zentrale gibt aber zu bedenken, dass schon jetzt beim Bezug von Sozialhilfe Vermögensübertragungen der vergangenen zehn Jahre überprüft werden. Damit sei es nicht unwahrscheinlich, dass diese Regel bald auch für die Bezieher von Arbeitslosenhilfe gilt.

Widerspruch einlegen

"In der Regel raten wir den Betroffenen, Widerspruch gegen die Ablehnung der Arbeitslosenhilfe einzulegen", sagt Edda Castello´. Damit wahrt man seine Ansprüche, wenn sich die Rechtslage ändern sollte. Einen Musterwiderspruch hat der Bielefelder "Förderverein gewerkschaftliche Arbeitslosenarbeit" entwickelt. Er ist im Internet unter www. erwerbslos.de/ideenboerse.htm und dort unter dem Stichwort "Merkblätter" zu finden.

Dieser Musterwiderspruch bezieht sich auf ein Urteil des Berliner Sozialgerichts (Aktenzeichen: S 58 AL 2208/02). Das Gericht ist der Auffassung, dass auch ein Altersvorsorgevermögen, das die Freibetragsgrenzen übersteigt, vor der Anrechnung geschützt sein kann. Dies gelte dann, wenn es andernfalls wesentlich erschwert wäre, eine angemessene Alterssicherung aufrechtzuerhalten. Denn in so einem Fall sei die Verwertung des Vermögens offensichtlich unwirtschaftlich.

Eine Änderung der neuen Bestimmungen gilt bei Experten mittlerweile nicht mehr als ausgeschlossen. Vor 2004 dürfte es dazu aber nicht kommen. Bis dahin werden hochgerechnet rund 100 000 Arbeitslose gezwungen sein, ihr Vermögen bis auf einen kleinen Rest aufzuzehren.

 

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