Ohne einen dicken Hals geht nichts mehr


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Eröffnet am:05.03.03 09:20von: DixieAnzahl Beiträge:2
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3263 Postings, 9090 Tage DixieOhne einen dicken Hals geht nichts mehr

 
  
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05.03.03 09:20
Formel 1
Ohne einen dicken Hals geht nichts mehr
Von Anno Hecker

Man muß schon einen dicken Hals haben. Sonst wird das nichts mit dem Rennfahren. In den siebziger Jahren sogen die mageren Helden der Landstraße vor dem Start noch mal schnell einen Atemzug Nikotin in die Lunge und kletterten dann qualmend in ihre Boliden: Einsteigen und losfahren wie im wirklichen Leben.

Heute betrachtet man den Formel-1-Piloten landläufig zwar als intelligenten Maschinisten ersten Ranges. Doch dabei wird leicht übersehen, welch durchtrainierte Burschen im Cockpit sitzen. Piloten, die ihren Kopf noch aufrecht tragen, wenn Ausdauerspezialisten oder Kraftprotze aus anderen Disziplinen - könnten sie Formel 1 fahren - längst das Haupt neigen würden. „Nach ein paar Runden“, sagt Michael Schumacher, „fällt der Kopf auf die Seite.“

Schumacher ist „ein Athlet“

Seine Halsstarrigkeit im richtigen Moment scheint bei einem Blick auf die hervorspringenden Muskelstränge gesichert. Wenige Tage vor dem Saisonstart am Sonntag in Melbourne ist Schumacher wie Ferrari bestens präpariert: „Er ist ein Athlet!“ sagt Dr. Johannes Peil, Orthopäde und Leiter der Bad Nauheimer Sportklinik, „ein Athlet auf einem hohen Ausdauerlevel.“ Nur während des Familienurlaubs ziehen sich die Physiotherapeuten aus Peils Team zurück. Ansonsten steuert jeweils einer Schumachers tägliches Training samt Behandlung im Umfang von bis zu sechs Stunden.

Seit Niki Lauda die Vorteile einer Gleichberechtigung von Körper und Geist für das Rennfahren entdeckte, kommen trainingsfaule Piloten nicht mehr erfolgreich über die Runden. Seinen WM-Sieg 1996 erklärte Damon Hill unter anderem mit einem forcierten Fitneßtraining. Schumacher hatte ihm Beine gemacht.

Inzwischen schwitzt das ganze Fahrerlager mehr oder weniger heftig auch in der rennfreien Zeit. Der Sauberpilot Nick Heidfeld berichtet von vier Stunden Körperbildung am Tag, damit ich „nicht wie ein Schluck Wasser in der Kurve hänge“. Er sei fit wie nie zuvor. Schumachers Kollege Rubens Barrichello überwand seine Abneigung gegen das Schwimmen und stürzte sich im Herbst zu seinem ersten Triathlon in die Fluten.

Nach dem Rennen wie aus dem Ei gepellt

In eigens konstruierten Trainingsmaschinen simulieren die Piloten die auf Nacken- und Rumpfmuskulatur wirkenden Fliehkräfte (bis zum Vierfachen der Erdbschleunigung) sowie die Arbeit des Beinstreckers beim Bremsen. In der Formel 1 wird ohne Bremskraftverstärker gefahren. Die statische Belastung treibt den Puls in die Höhe und die Hitze unter dem feuerhemmenden Overall zum Beispiel im australischen Spätsommer den Schweiß aus den Poren.

Bei den zahlreichen Testfahrten, zu denen auch Grand-Prix-Proben über 80 Runden gehören, gewöhnen sich die Piloten zwar wieder an den Kampf gegen die gefährliche Ermüdung. Aber der Profi macht mehr. So wie ein Sprinter in der Leichtathletik beim Training auch schon mal 110 Meter läuft, obwohl er im Wettkampf nach 100 schon im Ziel ist. Schumacher trainiert unter Leitung von Peils „abolut kompetentem Team“ kontrolliert über die Maßen, um beim Fahren an der Grenze des technisch möglichen wie bisher unterhalb seines körperlichen Limits bleiben zu können. Deshalb sieht der Ferrari-Star nach einem Rennen häufig aus wie aus dem Ei gepellt: „Es gibt“, sagt Peil, „schließlich eine Korrelation zwischen dem Grad der Kondition einerseits sowie der Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit andererseits.“

Den Lauf der Dinge kann auch Schumacher, seit Januar 34 Jahre alt, nicht stoppen; aber den ab Ende Zwanzig natürlichen Muskelschwund aufhalten. Schumacher versucht es mit Klettern, Radtraining und Fußball. „Man kann sehr lange auf dem Niveau eines 23jährigen bleiben“, sagt Peil. Schumacher schaffe es mit einer „irren Konsequenz“. Das beginnt mit dem von den Bad Nauheimern Ernährungsberatern zusammengestellten Frühstücksmüsli in maximal drei Variationen und hört bei der Therapie zur Schlafenszeit auf. „Wenn es sein muß, auch mitten in der Nacht“, erklärt Peil. „Keine Lust gibt es nicht bei ihm.“

Puls 140, „dann ist Schluß“

Und so stellt sich der Seriensieger selbst nach einer ermüdenden Klettertour dem Koordinationstraining. Damit unter anderem (nach einem harten Fußballmatch) Dysbalancen beseitigt und das Zusammenspiel der Muskulatur verfeinert werden. Was sich unmittelbar auf die Kunst des Kurvenfahrens auswirkt. Je besser die Koordination von Schultern, Armen und Händen, desto präziser die Lenkradbewegung.

Bewiesen ist inzwischen Schumachers Körper und Geist schonende Begabung. Peils Team überwachte seine Herzfrequenz bei kritischen Situationen bis hin zum Crash. „140“, sagt Peil, „dann war Schluß.“ Solche Werte erreichen Fans schon, wenn sie nur einen Ferrari aus der Nähe sehen. Aber auch bei vielen Rennfahrerkollegen klopft das Herz während der Fahrt deutlich höher.

Zu Schumachers Coolness kommt die trainierte Erholungsfähigkeit. Laut Peil falle dessen Puls nach Ausdauertraining auf dem Rad mit Werten bis zu 190 schnell wieder auf 60. Und wenn anschließend eine Therapie auf dem Programm stehe, dann könne es sein, daß der Rennfahrer vor lauter Entspannung sogar einschlafe: „Diese Fähigkeit zum Abschalten“, sagt Peil, „hatte ich zuvor bei keinem anderen Sportler erlebt.“
 

116 Postings, 8775 Tage VivaDa kriegt man gleich ein schlechtes Gewissen o. T.

 
  
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05.03.03 09:44

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