MDAX - Nur die Schönsten überleben


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Eröffnet am:28.11.02 17:23von: tom68Anzahl Beiträge:1
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4579 Postings, 8491 Tage tom68MDAX - Nur die Schönsten überleben

 
  
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28.11.02 17:23
Die Deutsche Börse baut den MDAX völlig um. Bei welchen Aktien deshalb der Lack ab ist, und welche in neuer Schönheit strahlen

von Jens Castner und Tobias Meister

Auch bei Aktien gibt es Mauerblümchen und strahlende Ballköniginnen. Doch die Schönheit der Aktien ist vergänglich. Zwar können sie - außer im Falle einer Pleite - nicht völlig wertlos werden wie Optionsscheine am Ablauftag. Aber sie können aus einem wichtigen Index herausfallen und damit für institutionelle Investoren unattraktiv werden.

Dieses Mauerblümchen-Schicksal droht 22 Werten aus dem MDAX - und auch der Termin für die neue Miss-Wahl steht bereits fest. Am 24. März 2003 wird der Mid-Cap-Index der Deutschen Börse von 70 auf 50 Werte verkleinert. Das bedeutet, dass einigen Aktien der Abstieg in den SDAX droht, der dadurch zwar aufgewertet wird, für internationale Blue-Chip- und Mid-Cap-Fonds allerdings auch weiterhin nur eine untergeordnete Rolle spielt.

Doch was bedeutet das für die Kurse? Profitieren die Aufsteiger, und verlieren die Absteiger? Eigentlich scheint es ganz einfach zu sein: Da Fonds und Zertifikate, die den MDAX abbilden, mindestens 20 Titel aus dem Portfolio räumen müssen und gezwungen sind, den Verkaufserlös gleichmäßig in die verbleibenden 50 Werte zu investieren, werden die Papiere, die den Klassenerhalt schaffen, stärker nachgefragt. Aktien, denen der Rauswurf droht, müssten eigentlich unter den Zwangsverkäufen leiden. Doch ganz so ist es nicht.

Die Experten raten nicht zum panikartigen Verkauf der Abstiegskandidaten. Wer Titel wie Gerry Weber wegen der hohen Dividendenrendite im Portfolio hat, muss nicht befürchten, dass die Degradierung zum SDAX-Wert den Kurs dauerhaft belastet. So "orientieren sich die meisten Mid-Cap-Fonds zwar am Index, dürfen aber auch Aktien mit MDAX-Affinität halten", erklärt Kathrin Michalkiewicz von der Fondsgesellschaft Lupus Alpha.

"Für Fondsmanager besteht also kein Zwang, die MDAX-Absteiger sofort zu verkaufen", sagt Uli Sperl, der bei Activest insgesamt 24 internationale Index-Fonds betreut. Der negative Einfluss auf die Kurse der Absteiger dürfte sich deshalb auf längere Sicht ebenfalls in Grenzen halten.

So haben Mid-Cap-Fonds, die zum Beispiel Porsche im Portfolio hatten, den Wert keineswegs verkauft, nur weil er aus dem Index gefallen ist. Im Gegenteil: Seit dem Rauswurf im September 2001 hat sich der Kurs der Porsche-Aktie verdoppelt, während der MDAX 12,7 Prozent verlor. Dies liegt auch daran, das es wenig Fonds gibt, die diesen Index 1:1 abbilden. Ein entsprechendes Produkt hat nicht einmal Activest, der Marktführer für passiv gemanagte Fonds im Programm. Und der MDAX-Ex-Fonds der Activest-Schwesterfirma Index-Change nimmt mit einem geringen Volumen von 31,5 Millionen Euro eher wenig Einfluß auf die Kursentwicklung der MDAX-Aktien.

Wie die Index-Fonds bilden auch Zertifikate den MDAX keineswegs exakt ab. Normalerweise kaufen die Emittenten von Zertifikaten nur die 20 bis 30 Titel, die am stärksten mit dem Index korrelieren und auch über die nötige Handels-Liquidität verfügen. Der Rest wird über Futures oder Optionen abgesichert. Das Abweichungsrisiko vom genauen Index-Stand trägt dabei der Emittent, für den Anleger ist der exakte Wert maßgeblich.

Die Index-Umstellungen sollten ohnehin nicht das einzige Anlage-Kriterium sein. "Die Kurse der Einzeltitel werden mehr durch aktiv gemanagte Fonds beeinflusst, die ihre Investitionsentscheidungen anhand von Fundamentaldaten treffen", meint etwa Stefan Gresse, zuständig für die Produktentwicklung bei dem Zertifikate-Emittenten ABN Amro.

Kurzfristig könnten Schwergewichte wie Beiersdorf, Continental, Wella, Gehe oder MG Technologies allerdings durchaus von der Neugewichtung profitieren. Einen Nachteil für kleinere Werte sehen Experten wie Dirk Heß von Goldman Sachs noch aus einem anderen Grunde. "Viele dieser Titel sind schon jetzt nicht sehr liquide." Aus diesem Grund bleiben sie vor allem bei den großen Investoren außen vor.

Aussichtsreich sind auch Werte, die in den MDAX aufrücken. Durch die Mitgliedschaft in einem anerkannten Börsenbarometer werden diese für viele institutionelle Investoren überhaupt erst interessant. Nach einer vorläufigen Statistik der Deutschen Börse sind die bisherigen Neue-Markt-Werte Medion und Thiel Logistik Wechselkandidaten, da sie eher klassischen Branchen (Einzelhandel, Transport/Verkehr) zuzurechnen sind.

Auch Teleplan könnnte laut Commerzbank ein MDAX-Kandidat sein. Allerdings hegt das Unternehmen keinerlei Wechselambitionen: "Wir wollen in den Tec-DAX." Grund: Fast alle Kunden des Reparatur-Dienstleisters stammen aus dem Technologie-Sektor. Und die Wünsche der Unternehmen werden durchaus berücksichtigt. So stand für den Medizintechnik-Konzern Fresenius fest, dass der ursprünglich von der Deutschen Börse vorgesehene Wechsel in den Tec-DAX nicht im Sinne des Unternehmens ist. "Auf Grund der von Fresenius eingereichten Unterlagen haben wir uns dazu entschlossen, das Unternehmen den klassischen Branchen zuzurechnen", sagt Frank Hartmann von der Deutschen Börse. Branchen-Kollege Drägerwerk hingegen hatte nichts gegen die Einstufung als Technologie-Wert. Kein Wunder: Das Unternehmen kam erst kürzlich in den MDAX und bringt nicht genügend Gewicht auf die Börsenwaage, um die Verkleinerung zu überstehen. Und weil Tec-DAX immer noch besser ist als SDAX oder gar kein Index, tun die Lübecker besser daran zu schweigen.

Wer drinbleibt und wer rausfällt, das sagt übrigens nichts über die Qualität des Unternehmens aus. Anders als bei Miss-Wahlen haben bei diesem Schönheitswettbewerb die Dicksten die besten Chancen. Bisher war die Sache klar: Die 100 schwersten börsennotierten Unternehmen Deutschlands kamen in den DAX 100 - die 30 größten in den DAX, die anderen 70 in dem MDAX. Dazu hatten sie zwei Kriterien zu erfüllen: Sowohl von der Marktkapitalisierung, also dem Börsenwert aller im freien Umlauf befindlichen Aktien, als auch vom Handelsvolumen her mussten sie zu den 110 größten deutschen Gesellschaften gehören. Einzige Ausnahme: Unternehmen, die sich für den Neuen Markt entschieden haben, konnten nicht gleichzeitig in den DAX100, auch wenn sie nach diesen Regeln die kritische Größe gehabt hätten.

Neue Spielregeln für die deutschen Indizes: Mit der Neusegmentierung und dem Wegfall des Neuen Marktes ändert sich für alle Indizes unterhalb des DAX einiges. So wandern Technologie-Werte wie Jenoptik, Software AG oder Wedeco vom MDAX in den neuen Tec-DAX30. In MDAX und SDAX, die beide auf 50 Werte verkleinert werden, werden dann nur noch Unternehmen aus klassischen Branchen gelistet sein.

Die Aufnahmekriterien für den MDAX bleiben allerdings gleich. Entscheidend sind Marktkapitalisierung und Handelsvolumen. Nur Werte, die in beiden Kategorien unterhalb des DAX zu den Top 60 gehören, kommen in den Index für mittelgroße Unternehmen. Neu ist auch, dass eine Firma, die in Tec-DAX, MDAX oder SDAX notiert ist, ihren Sitz nicht mehr im Inland haben muss. Es reicht, wenn Deutschland als "Heimatbörse" gewählt wird.

Der MDAX wird damit auch für ausländische Gesellschaften geöffnet. Deshalb könnten bei DePfa die Korken knallen. Das Unternehmen hatte erst im Frühjahr seinen Sitz ins irische Dublin verlegt und wurde deshalb zwangsläufig ausgeschlossen. Die Wiederaufnahme in den MDAX, das erklärte Ziel von Vorstands-Chef Gerhard Bruckermann, ist nun durchaus vorstellbar.Zwar präsentierte das Unternehmen vergangene Woche Zahlen, die den Markt eher enttäuschten, doch verglichen mit den Kursen vor dem Umzug nach Irland und dem MDAX-Rauswurf, ist das Papier inzwischen recht günstig zu haben und bietet zudem deutliches Erholungspotenzial. Auch für die MDAX-Kandidaten Medion und Thiel sehen viele Analysten nach dem Crash am Neuen Markt einiges an Potenzial, und die Unternehmen wären wohl besser beraten, das Segment zu wechseln - auch im Interesse ihrer Aktionäre, die dann von steigenden Kursen profitieren könnten: "Erstens folgt mehr Geld dem MDAX als dem Nemax", sagt Activest-Fondsmanager Sperl. "Zweitens kann nach dem Vertrauensverlust am Neuen Markt die Seriosität, die der MDAX ausstrahlt, nur von Vorteil sein."


Quelle: Finanzen.net
   

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