Lufthansa-Chef Weber: Hälfte aller Airlines pleite


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Eröffnet am:11.09.02 22:24von: MaxCohenAnzahl Beiträge:3
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1502 Postings, 8527 Tage MaxCohenLufthansa-Chef Weber: Hälfte aller Airlines pleite

 
  
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11.09.02 22:24

Lufthansa-Chef Jürgen Weber über sein Krisenmanagement


Herr Weber, die Lufthansa hat die Folgen des 11. September gut bewältigt, Ihrem Partner in der Star Alliance, United Airlines, dagegen geht es ganz schlecht. Was haben Sie besser gemacht?

Entscheidend war, dass wir nach dem 11. September sehr schnell reagiert haben. Jeden Tag, an dem man nicht handelt, verliert man Geld. Das, was wir vor zehn Jahren, in der Golfkrise, in neun Monaten geschafft haben, erledigten wir dieses Mal in weniger als neun Wochen. Und wir haben gemeinsam, im Team gehandelt. Schwierige Maßnahmen sind immer nur gemeinsam durchzusetzen. Ein zusätzlicher Vorteil für uns ist, dass die meisten in unserem Management-team Erfahrungen mit Krisenbewältigung haben. Vor zehn Jahren waren wir auch schon in verantwortlicher Position.

Hatten und haben es Europas Fluggesellschaften nicht leichter als die Amerikaner?

Der Markt ist für alle, die global operieren, derselbe. Wir sind stärker in Europa engagiert, die Amerikaner in den USA. Grundsätzliche Unterschiede gibt es keine. Worin wir uns tatsächlich unterscheiden, ist unser gänzlich anderes Verständnis von Zusammenarbeit im Unternehmen: zwischen Management, Mitarbeitern, Betriebsräten, Gewerkschaften.

Sie betonen, wie wichtig der Konsens für Ihren spektakulären Turn- around war. Können Sie das etwas näher erläutern?

Wenn man etwas tun muss, was den Menschen weh tut, erzeugt das immer Gegendruck. Wer akzeptiert schon freudestrahlend, wenn ihm der Chef sagt, du musst mehr arbeiten für weniger Geld? Es kommt darauf an, wie man den Konflikt austrägt, wie man die Probleme den Mitarbeitern klar macht. Wir waren an der Spitze, im Management, die Ersten, die den Mitarbeitern vorgemacht haben, was wir von ihnen verlangen. Deshalb konnten wir die Mehrzahl der Mitarbeiter und ihrer Vertretungen überzeugen. Der Anteil der Personalkosten an den Gesamtkosten beträgt bei Lufthansa ungefähr 23 Prozent, bei United fast 50 Prozent. Bei diesem Personalkostenanteil wäre die Lufthansa ganz schnell pleite.

War auch der schwache Arbeitsmarkt ein wichtiger Verbündeter beim Durchsetzen von Sparmaßnahmen?

Leider geht das tatsächlich immer einfacher, wenn die Angst am Horizont droht. Aber es ist falsch, erst dann zu handeln, wenn das Unternehmen in Gefahr ist. Gerade wenn es gut geht, muss man anfangen, zu sparen und neue Entscheidungen treffen. Anfang vergangenen Jahres wollten die Mitarbeiter nicht schon wieder neue Sparprogramme über sich ergehen lassen, sie wollten auch einmal die Früchte der Arbeit „genießen“ können. Wir wussten aber, dass sich die Lage 2001 verschlechtern würde. Deshalb haben wir unser D-Check-Programm gestartet, mit dem wir alle Prozesse auf den Prüfstand gestellt haben. Dazu kam ein „Akut“-Programm nach dem 11. September. Mit den Einsparungen anzufangen wäre auch dann richtig und notwendig gewesen, wenn der 11. September nicht gekommen wäre.

Haben Sie den Einbruch vorausgesehen?

Unser größtes Problem ist nicht der 11. September, sondern die lahmende deutsche Konjunktur. Uns trifft es schwer, dass wir im Wachstum um zwei Prozent hinter unseren Hauptwettbewerberländern zurückliegen. Uns trifft das veränderte Reiseverhalten der Menschen, ob bei Touristen- oder Geschäftsreisen. Bei allen Firmen, überall, wird gespart. Nicht nur der Personenverkehr, auch die Luftfracht ist betroffen. Das Volumen geht seit längerem zurück. Nach unserer Erfahrung signalisiert zurückgehende Luftfracht, dass bald noch größere wirtschaftliche Probleme kommen. Ich sehe die Entwicklung in diesem Lande lange nicht so rosig wie einige unserer Politiker. Wir haben ein Konjunkturproblem, das durch den 11. September beschleunigt wurde und an Schärfe zugenommen hat!

Die Pleitenwelle geht also weiter?

De facto sind die Hälfte der Fluggesellschaften in der Welt pleite. Das ist teilweise auf äußere Einflüsse zurückzuführen, aber vieles ist auch selbstverschuldet. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich etliche Fluggesellschaften selbst in eine schwierige Position hineinmanövriert. Sie sind hoch verschuldet, müssen Mitarbeiter entlassen, können keine Dividende zahlen und ihren Aktionären keine positive Aussichten bieten.

Welche Fehler wurden gemacht?

Es wird viel zu sehr auf Marktanteile geschaut, statt auf Qualität und eine wettbewerbsfähige Kostenstruktur, und vor allem auf auskömmliche Preise. Die meisten unserer Wettbewerber verkaufen ihr Produkt unter Gestehungskosten. Preisdumping, um die Sitze zu füllen, führt in den Ruin.

Das führt früher oder später zu einer Marktbereinigung. Davon wird die Lufthansa dann profitieren.

Jede Krise hat auch gute Seiten. Jetzt trennt sich die Spreu vom Weizen. Ich habe im vergangenen Jahr schon, als wir noch unsere internen Probleme hatten, gesagt: Wenn wir jetzt richtig handeln, wird die Lufthansa aus dieser Krise gestärkt hervorgehen. Wir dürfen aber nicht nachlassen und müssen die Erfolge weiter ausbauen.

Warum schwankt der Aktienkurs der Lufthansa trotz des Turn-around weiter so stark?

Die Aktienkurse in der Branche waren immer schon sehr anfällig für äußere Ereignisse: Die Ölkrise, der Golfkrieg hatten entsprechende Auswirkungen. Daran hat sich nichts geändert. Der 11. September wirkt verschärft, weil das Ereignis nicht irgendwo im Nahen Osten oder in einem fernen Kriegsgebiet, sondern mitten im Herzen des größten Luftfahrtmarkts der Welt, in New York, stattfand. Das führte zu einer regelrechten Hysterie.

Sie halten die Reaktionen für übertrieben?

Die Entwicklung der Aktienkurse hat heutzutage kaum noch etwas mit den Ergebnissen der Unternehmen, mit ihrer Strategie, ihren Bilanzen und operativen Ergebnissen zu tun. Sie gehen nach oben, wenn schlechte Nachrichten verkündet werden. Es kommen gute Nachrichten, die Schulden werden in Milliardenhöhe abgebaut, und was passiert? Der Aktienkurs geht nach unten. In vielen Bereichen ist das inzwischen wie ein Monopolyspiel. Eine schlimme Entwicklung.

Sie haben den Spitznamen der „Rechner“. Wo kommt der her?

Rechnen kann ich in der Tat, und jeder Unternehmensführer muss ein Rechner sein. Wenn man sich in der Branche umsieht, dann weiß man gleich, wo die Rechenstunden zu kurz gekommen sind. Ob die Mitarbeiter oder die Lieferanten das hören mögen oder nicht: Entscheidend für den Erfolg von Unternehmen sind die Kosten. Wer auf der Kostenseite nicht wettbewerbsfähig ist, braucht sich über andere Dinge keine Gedanken zu machen. Mit großen Vertriebs- und Beteiligungsstrategien allein kann man die Firma nicht zum Erfolg führen. Man muss mit den Kosten anfangen, und deshalb muss man rechnen können. Und wenn man dafür einen Titel bekommt, dann ist das umso schöner. Da fühle ich mich geehrt.

Sind gute Manager vor allem gute Rechner?

Kosten sind wie Gänseblümchen. Kaum sind sie geschnitten, wachsen sie wieder nach und müssen wieder geschnitten werden. Gutes Management bedeutet, dass intelligent Kosten eingespart werden, sodass Produkt und Qualität dabei möglichst noch besser werden. Ein Beispiel dafür ist unser Electronic Ticket: Wir sparen Personal, der Kunde spart Zeit und erhält damit ein besseres Produkt.

Was zeichnet, außer stets auf die Kosten zu achten, einen guten Manager noch aus?

Eine verantwortliche Unternehmensführung muss vor allem glaubwürdig sein. Sie muss im langfristigen Interesse des Unternehmens handeln und nicht kurzfristig, mit Blick auf den nächsten Quartalsbericht. Für mich heißt das: Der Unternehmer muss immer den Kunden, die Mitarbeiter und den Aktionär im Auge haben, sie wollen wir zufriedenstellen. Ich führe das Unternehmen nicht nach den publizierten Wunschträumen.

Fällt es Ihnen persönlich schwer, die Konflikte auszuhalten, die eine solche Unternehmensführung mit sich bringt?

Das Jahr 2001 war für mich bisher das schwierigste in meinen 35 Berufsjahren. Es war nicht nur der 11. September. Hinzu kam der sich ab Anfang April abzeichnende teilweise dramatische Rückgang der Luftfracht, der extrem steile Einbruch der Konjunktur. Als drittes kam der Pilotenstreik hinzu, mit den daraus entstehenden Problemen: Kosten, Imageschaden und schlechte Stimmung innerhalb der Firma.

Haben Sie mit den Piloten inzwischen wieder Frieden geschlossen?

Mit der Mehrzahl der Piloten hatte ich keine Probleme. Aber die mangelnde Solidarität einiger war schon eine Enttäuschung für mich.

Haben Sie dabei selbst auch Fehler gemacht?

Ich sehe jetzt, ein Jahr danach, dass ich leider Recht gehabt habe, und brauche mir deshalb nichts vorzuwerfen. Ich wusste, dass die Zeiten schwieriger werden und dass man längerfristig denken und wettbewerbsfähig bleiben muss. Wissen Sie: Ich bin immer in meinem Leben den geraden Weg gegangen, und deshalb wissen die Menschen, die mit mir zusammenarbeiten – Geschäftspartner, Gewerkschaftler, Piloten –, woran sie sind.

Sie haben als einer der Ersten die Bedeutung von Luftfahrtallianzen vorher gesehen und die Star Alliance aufgebaut. Ist die Allianz jetzt in der Krise?

Keineswegs, sie ist stabil wie eh und jeh. Es zeigt sich gerade jetzt, in der Krise, wie richtig das Konzept ist, das anfänglich von vielen kritisiert wurde: keine Kapitalbindung, sondern große Flexibilität in Bezug auf die Partner. Ein Partner in Australien ist ausgeschieden, aber keiner von uns hat Geld verloren. Wenn Partner ausscheiden, dann ist das ärgerlich, vielleicht kurzfristig auch schmerzlich, aber ein Bündnis wie die Star Alliance braucht sich überhaupt keine Sorgen zu machen. Wenn einer geht, dann stehen drei andere vor der Tür, die gerne kommen würden.

Sind die Billigflieger eine Bedrohung?

Nein, so lange wir gut sind. Die Lufthansa ist ein Qualitätscarrier mit einem globalen Netzwerk, sie bedient die großen Flughäfen dieser Welt. Billigflieger haben ein anderes Geschäftsmodell. Sie fliegen nicht die großen Flughäfen an, bieten keine weltweiten Flugverbindungen an und bieten nicht die Qualität, die unsere Kunden überwiegend fordern.

Wenn die Billigflieger in einer anderen Liga fliegen, warum reagieren Sie jetzt selbst mit einem neuen Preissystem darauf?

Wir waren bisher bemüht, die Spreizung zwischen dem niedrigsten und höchsten Tarif nicht allzu groß werden zu lassen, um Diskussionen, wie sie in diesem Land üblich sind, zu vermeiden. Bevor die Discountwelle kam, wäre es auch gefährlich gewesen, anders vorzugehen. Heute werden Flüge für zehn oder gar vier Euro angeboten, und so können wir uns ohne große Probleme erlauben, die Spreizung zu vergrößern. Genau das haben wir gemacht.

Und die Lufthansa beteiligt sich an einer Billigfluggesellschaft ...

Wir sind mit 24 Prozent an Eurowings beteiligt, die Germanwings gegründet hat. Das ist keine Lufthansa-Gesellschaft.

Werden die Discounter am Ende auch im Flugverkehr den Sieg davontragen, wie im deutschen Einzelhandel?

Nein. Keiner kann die ökonomischen Gesetze außer Kraft setzen. Fliegen kann im Durchschnitt nicht billiger werden. Das gilt auch für die Billigflieger. Es werden doch nicht alle Tickets für zehn Euro verkauft.

Ist die Deregulierung zu weit gegegangen?

Im Gegenteil! Wir brauchen eine neue Welt-Luftverkehrsordnung. Der Markt muss weiter geöffnet werden. Die Staaten müssen von bilateralen Regelungen Abschied nehmen, die den Marktzugang einschränken. Sowohl die europäische als auch die amerikanische Luftfahrt sind so weit gereift, dass ein weiterer Liberalisierungsschritt getan werden könnte. Ich bin ein Befürworter eines offenen, gemeinsamen transatlantischen Luftverkehrsmarktes.

Sie haben im Dezember 15 Großraumjets von Airbus geordert. Was macht Sie so optimistisch, dass Sie die auch gewinnbringend einsetzen können?

Es wird in der Welt zu viel Pessimismus verbreitet. Ich weiß nicht, wie man wirtschaftlich und auch privat weiterleben kann, mit nur noch Negativszenarien vor Augen. Dann funktioniert nichts mehr, und wir können zumachen – alle zusammen. Wir, die Lufthansa, sind in der Tat optimistisch. Wir haben viele Vorteile: eine geografisch günstige Lage, hervorragend ausgebildete Mitarbeiter, eine zukunftsweisende Strategie mit unserem Aviationkonzern und einen guten Heimatmarkt. Wie die Zukunft aussieht, hängt vor allem von uns selbst ab.

Andreas Henry/Krisztina Koenen

Quelle: WirtschaftsWoche

11.09.2002 17:00:05

 

1502 Postings, 8527 Tage MaxCohenJürgen Weber: Der kühle Rechner

 
  
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11.09.02 22:26

Der kühle Rechner


Mit kühlem Kopf und harter Hand hat Jürgen Weber die Lufthansa nach den Turbulenzen des 11. September wieder auf sicheren Kurs gebracht und den Turn-around des Jahres geschafft.

DÜSSELDORF. Was für ein Horrorjahr: Die Zahl der Flugpassagiere liegt weltweit immer noch um acht Prozent niedriger als vorher. Die Schwäche der Weltwirtschaft trifft die Fluggesellschaften zusätzlich. Die sechstgrößte amerikanische Linie US Airways hat schon Gläubigerschutz beantragt, viele sehen den Star-Alliance-Partner der Lufthansa, United Airlines, auf dem gleichen Weg. Die Namen Swissair und Sabena gehören der Vergangenheit an.

Unter diesen Umständen kommen die Zahlen, die Lufthansa-Chef Jürgen Weber für die erste Hälfte des Jahres 2002 vorgelegt hat, einem kleinen Wunder gleich: Der Umsatz zeigt ein Plus (gegenüber Vorjahr) von 4,7 Prozent, der operative Gewinn beträgt 332 Millionen Euro. Analysten erwarten für das Gesamtjahr 600 bis 700 Millionen Euro operativen Gewinn, während Weber und sein Finanzvorstand Karl-Ludwig Kley lieber nur von 500 Millionen sprechen. Vorsichtig ist sogar von der Auszahlung einer Dividende für 2002 die Rede.

Die Lufthansa ist Europas stärkster Luftfahrtkonzern – zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame Studie der Unternehmensberatung A. T. Kearney und der WirtschaftsWoche (33/2002). Die Berater rühmten die „soliden Finanzen“ und die „Stärke, auch die Kosten nach unten anzupassen“. „Hier ist das Unternehmen eine Art Maßstab der Branche“, sagt Christoph Brützel, Prinzipal bei A. T. Kearney in Düsseldorf.

Einen Wermutstropfen gibt es dennoch: Das Konzernergebnis ist nach Abzug der Steuern mit einem Verlust von 27 Millionen Euro immer noch negativ ist. Allerdings fällt der Verlust erheblich geringer als im Vorjahr aus. Dabei ist es gelungen, die Verschuldung stärker als allgemein erwartet zu reduzieren: Sie ging um 1,1 Milliarden Euro auf 2,7 Milliarden zurück. Vor allem Sonderabschreibungen für die Tochtergesellschaft LSG Sky Chefs belasten die Bilanz immer noch.

Trotzdem sieht es ganz so aus, als würden Weber und seine Mannschaft als Gewinner aus der Krise der Luftfahrt hervorgehen. „Wir sind auf dem guten Weg, wieder der Marktführer unter den europäischen Luftfahrtkonzernen zu werden“, verkündete Karl-Ludwig Kley mit begründeter Zuversicht.

Die Leistung Webers ist ein Glanzstück der Managementkunst. Der Turn-around, den der oberste Lufthanseat in Rekordtempo erreicht hat, ist atemberaubend. Nach den Anschlägen fehlten dem Unternehmen plötzlich täglich zehn Millionen Euro Umsatz, ein Viertel der Tageseinnahmen. Im Oktober des vergangenen Jahres flogen 13,3 Prozent weniger Passagiere als ein Jahr zuvor. Hinzu kam: Die nachlassende Konjunktur ließ auch das Frachtaufkommen um 9,4 Prozent absacken. Die Versicherungsgesellschaften haben die Haftung für Terrorrisiken aufgekündigt, und als wäre das alles nicht genug, stiegen auch noch die Treibstoffpreise rapide an.

In dieser dramatischen Lage erwies es sich als großer Vorteil, dass die Lufthansa einen krisenerfahrenen Vorstandsvorsitzenden hatte, der sich mit Turbulenzen auskennt und zusammen mit seiner Mannschaft schon in den Krisenjahren 1991 bis 1993 wichtige Erfahrungen gesammelt hatte. Jürgen Weber ist der einzige Chef einer großen Fluggesellschaft, der seit elf Jahren das gleiche Unternehmen führt. Sonst liege die durchschnittliche Dienstzeit bei etwa zwei Jahren, berichtet Weber schmunzelnd.

1991, als der studierte Luft- und Raumfahrttechniker nach langem Gerangel hinter den Kulissen zum Vorstandsvorsitzenden berufen wurde, stand die Lufthansa kurz vor dem Konkurs. Seit 1985 hatte die Gesellschaft operative Verluste gemacht, die Schulden waren erdrückend. Hinzu kamen die Folgen des Golfkriegs.

Doch dann kam Weber und schon drei Jahre später, 1994, war ein neuer Kranich aus der Asche geboren: 176 Millionen Euro Gewinn vor Steuern wies die Lufthansa 1994 aus. Anfangs haben nur wenige Jürgen Weber zugetraut, die Wende zum Besseren herbeiführen zu können. Er sei „nur ein Techniker“, habe kein Charisma, sei zu wenig weltläufig für eine globale Airline, von ihm gehe kein Glanz aus, hieß es.

Doch im Laufe der Zeit stellten sich die vermeintlichen Mängel dann eher als Tugenden heraus. Weber kann rechnen und denkt mit unerbittlicher Logik. Statt das Rampenlicht der Öffentlichkeit zu suchen, bleibt er lieber im Hintergrund und macht seine Hausaufgaben als Manager. Weber ordnet sich dem Unternehmen unter, „personalen Pomp“ hat er einmal als die verabscheuungswürdigste menschliche Eigenschaft bezeichnet.

In der Krise nach dem 11. September waren Webers Eigenschaften wie schon Anfang der Neunziger besonders wertvoll. Die Lufthansa handelte damals sofort. Oder vielmehr, sie war schon vorbereitet, bevor der schrecklichste aller denkbaren Angriffe auf die zivile Luftfahrt geschah. Während andere im Superjahr 2000 noch voll im Glauben an einen ewigen Höhenflug lebten, reagierten die Lufthanseaten ohne Zögern, als sich die Konjunktur abschwächte, auch wenn Weber damit als Spielverderber galt.

Schon im Herbst 2000 war offenkundig geworden, dass es bald ein Überangebot an Flugsitzen geben würde. Im April 2001 erfand Weber mit seiner Führungsriege den so genannten „D-Check“. Der Ausdruck stammt aus dem technischen Jargon der Flugzeugwartung, dort steht er für die Generalüberholung von Flugzeugen, bei der die Maschine bis ins kleinste Detail untersucht wird.

Nach dem 11. September allerdings musste Weber in ganz anderen Dimensionen handeln. 43 der 330 Lufthansa-Flugzeuge ließ er stillegen (18 davon fliegen inzwischen wieder). Ab sofort wurde niemand mehr eingestellt oder höher gruppiert, Kurzarbeit wurde eingeführt und Vergütungsrunden verschoben. Insgesamt gelang es damit, die Personalkosten um 210 Millionen Euro zu senken. Auch wenn das Rezept „mehr arbeiten für weniger Geld“, für die Belegschaft härtere Zeiten verhieß, folgten die Lufthanseaten in ihrer Mehrheit dem Sparkurs. Sie vertrauten ihrem krisenerprobten Vorstand.

Weber verlangte nicht nur von seiner Belegschaft mehr Leistung. „Man muss die Dinge, die man von seinen Mitarbeitern einfordert, selber vorleben“, sagt er. Seine Führungskräfte forderte er deshalb auf, fünf bis zehn Prozent ihres Festgehalts zu opfern, sich selbst strich er zehn Prozent. Es war viel von Familie, Zusammenhalt und Unternehmensidentität die Rede. Weber wollte keine Entlassungen. Denn er wusste schon damals: „Am besten wird aus der Krise kommen, wer am schnellsten reagieren kann, wenn die Nachfrage wieder anspringt.“

Während andere Gesellschaften, die Tausende entließen, nun kostspielig neu einstellen müssen, kann die Lufthansa ihre Aktivitäten je nach Marktlage problemlos und schnell wieder ausweiten. Natürlich hätte auch Weber notfalls zu Entlassungen gegriffen, wie schon 1992, als er 8000 Stellen abbaute. Als die Gewerkschaft zögerte, dem geforderten Gehaltsverzicht zuzustimmen, ließ er einen Entlassungsplan ausarbeiten und in der Unternehmenszeitschrift veröffentlichen.

Weber kann hart sein, wenn er überzeugt ist, dass es die Interessen des Unternehmens verlangen. Aber die Strategie des Gleichgewichts von Geben und Nehmen zahlte sich diesmal aus.Von Gefühlen zu reden, ist nicht Webers Sache. Nach seinen Hauptcharakterzügen befragt, sagt er „spontan und direkt“. Als negative Eigenschaft bezeichnet er eine manchmal vorhandene „Harmoniebedürftigkeit“.

Wie kaum einer identifiziert er sich mit dem Unternehmen, dem er vorsteht. Dass er Kerosin im Blut habe, will er von sich nicht behaupten. Aber die Luftfahrt als Branche übt eine enorme Anziehungskraft auf ihn aus, sie habe eine „besondere Dimension“, sagt er.

Jürgen Weber hat fast sein ganzes Arbeitsleben im Dienste der Lufthansa verbracht. Der 1941 im badischen Lahr Geborene ging direkt nach dem Studium zur Lufthansa. Mit 32 wurde er schon Chef der Flugzeugwartung. Anfang 1990 kam er in den Vorstand mit Zuständigkeit für das Ressort Technik, ein Jahr darauf wählte ihn der Aufsichtsrat einstimmig zu dessen Vorsitzenden.

In den vergangenen zehn Jahren, als Vorstandvorsitzende vor allem glänzende Visionen haben mussten, um öffentlich zur Kenntnis genommen zu werden, blieb Weber unerschütterlich nüchtern. Kein Wunder , dass sie ihn bei der Lufthansa nur den „Rechner“ nennen. Der schöne Schein interessiert Weber nicht. Er habe es immer ganz bewusst abgelehnt, die berühmten „Fantasien“ zu wecken, die den Kurs nach oben treiben sollen, erklärt er rückblickend. Seine Bilanzen hätte er immer beeiden können, sagt er, schließlich habe er mit seiner Unterschrift doch nichts anderes getan.

Krisztina Koenen

Quelle: WirtschaftsWoche

11.09.2002 15:27:11

 

1502 Postings, 8527 Tage MaxCohenLuftverkehr soll 2003 wieder wachsen

 
  
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11.09.02 22:32

Luftverkehr soll 2003 wieder wachsen


Noch leiden Airlines und Touristikunternehmen unter den Folgen der Anschläge

MONTREAL, 11. September. Ein Jahr nach den Terroranschlägen des 11. September hat sich die wirtschaftliche Lage der Zivilluftfahrt stabilisiert. Nach dem drastischen Einbruch 2001 und einem Nullwachstum in diesem Jahr erwarte die Branche für 2003 weltweit wieder einen kräftigen Zuwachs von 7,1 Prozent, teilte die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) am Dienstag (Ortszeit) in Montreal mit.

Nach Einschätzung von Lufthansa-Chef Jürgen Weber befinden sich derzeit aber noch viele Airlines im Überlebenskampf. "In den USA steht mittlerweile die gesamte Branche - mit wenigen Ausnahmen - vor dem Bankrott", sagte Weber in einem Interview der Mitarbeiterzeitung "Lufthanseat". Die Lufthansa selbst hat die Krise offenbar überstanden. Laut Weber kann für 2002 mit einem operativen Ergebnis von mehreren hundert Millionen Euro gerechnet werden.

Hausgemachte Probleme

Wie die Fluggesellschaften baut auch die internationale Tourismusbranche für die kommenden Jahren auf deutliche Zuwächse.Längerfristig geht die ICAO für die Zivilluftfahrt von einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum um die fünf Prozent aus. Besonders heftig haben die Anschläge die Branche in Nordamerika und Europa getroffen. Während die Fluggesellschaften in Asien, Afrika und Lateinamerika in diesem Jahr wieder positive Wachstumsraten erwarten könnten, müssten die Airlines in Nordamerika noch einen Rückgang von 2,3 Prozent verkraften, heißt es bei der ICAO. Auch in Europa werde der zivile Luftverkehr voraussichtlich noch einmal um 1,2 Prozent schrumpfen.

Für Weber ist ein Jahr nach den Terroranschlägen der Überlebenskampf großer Teile der Branche noch in vollem Gange. "De facto sind die Hälfte aller Fluggesellschaften in der Welt pleite", sagte Weber. Dafür könnten allerdings nur zum Teil äußere Einflüsse verantwortlich gemacht werden. Bei vielen Airlines seien die Probleme hausgemacht. Es werde zu sehr auf Marktanteile geschaut, so Weber. "Preisdumping, um die Sitze zu füllen, führt in den Ruin."

Mit der zivilen Luftfahrt leidet die gesamte Tourismusindustrie an den Folgen des 11. September. Nach Angaben des internationalen Branchenverbands WTTC ist die Reise-Nachfrage in diesem und dem vergangenen Jahr weltweit um mehr als sieben Prozent zurückgegangen. Auch hier waren die USA mit einem Einbruch um 8,5 Prozent am stärksten betroffen. Der europäische Tourismus, der sich vor den Terroranschlägen über Zuwachs-Prognosen gefreut hatte, muss dem WTTC zufolge Rückgänge von 4,5 Prozent im vergangenen und 3,1 Prozent in diesem Jahr verkraften.

WTTC-Präsident Jean-Claude Baumgarten betonte jedoch am Mittwoch in Brüssel, dass die Reisebranche "strapazierbar" sei. Im kommenden Jahr würden "Rekordzahlen" erwartet, und die Branche wolle weltweit 6,8 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen. Der WTTC (World Travel & Tourism Council) repräsentiert nach eigenen Angaben Präsidenten und Vorstände von 1 000 namhaften Tourismusunternehmen weltweit. (AFP)

Quelle: Berliner Zeitung


 

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