Infineon: Halbleiter-Innovation


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Neuester Beitrag: 18.01.02 10:02
Eröffnet am:18.01.02 10:02von: BrummerAnzahl Beiträge:1
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3498 Postings, 8192 Tage BrummerInfineon: Halbleiter-Innovation

 
  
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18.01.02 10:02
Neuartige Bauelemente von Infineon sparen Energie: in Autos, im Haushalt und in der Industrie.

Es wäre nicht der erste Wafer gewesen, der in seinen Händen zerbrochen wäre, gesteht er unbekümmert. Doch diesmal hatte Leo Lorenz Glück. Zwar konnte er die hauchdünne Siliziumscheibe wieder nicht halten. Doch sie landete sanft auf dem Konferenztisch und glitt ein Stück weit auf einem spontan entstandenen Luftkissen – wie ein Hoovercraft. Lorenz, bei der Münchner Infineon Technologies AG für die Entwicklung von so genannten Leistungshalbleitern zuständig, wollte den wohl dünnsten Wafer präsentieren, der zur Herstellung von Transistoren zur Steuerung von hohen Strömen genutzt wird.

Mit der Fähigkeit, auf den 70 Mikrometer (ein Mikrometer ist ein tausendstel Millimeter) dünnen Wafern Chips heranwachsen zu lassen, hat Infineon eine Position zurückerobert, die die deutschen Halbleiterhersteller vor rund 20 Jahren an die japanische Konkurrenz verloren hatten. „Wir sind heute die Nummer zwei“, jubelt Reinhard Ploss, der bei Infineon als Senior Vice President den Bereich Automobil und Industrie vertritt, und verspricht: „Bald lassen wir auch noch Mitsubishi hinter uns.“

Den Bauelementen, die Infineon an den Standorten Regensburg und Villach in Österreich fertigen lässt, steht eine beispiellose Karriere bevor. Millionen- vielleicht sogar milliardenfach werden sie in Autos, Haushaltsgeräte, Spielzeuge, Roboter und Werkzeugmaschinen eingebaut. Das Ziel ist immer Energiesparen. „50 Prozent des Stroms verbrauchen hier zu Lande Motoren“, sagt Lorenz. „Die Hälfte davon lässt sich durch eine elektronische Regelung einsparen.“

In Lokomotiven wird die Technik schon lange eingesetzt, um besonders einfache und damit billige Elektromotoren zu regeln, deren Drehzahl sich mit herkömmlicher Technik nicht verändern lässt. So genannte Thyristoren verwandeln den Einheitsstrom aus der Oberleitung in genau die Sorten, die jeweils benötigt werden: Zum Anfahren beispielsweise, zum Beschleunigen eines ICE auf Tempo 280 oder zum Zurückgewinnen der Bremsenergie. Die Elektronik war bisher so sperrig und entwickelte so viel Hitze, dass sie nicht in Autos, Flugzeugen oder Waschmaschinen passte. „Mit unseren neuen Bauelementen gibt es keine Probleme“, verspricht Ploss. Sie sind klein und entwickeln kaum Wärme, weil sie so dünn sind – die der Konkurrenz sind viermal so dick.

Wenn Lorenz in die Zukunft schaut, leuchten seine Augen. Vor allem hat es ihm das Auto angetan. Darin wimmelt es künftig von Bauteilen, die souverän mit Strom jong-lieren. Sie steuern die Motoren der Fensterheber und sorgen gleichzeitig für Sicherheit. Wenn beim Hochfahren der Scheibe ein Hindernis auftaucht, etwa eine Hand eingequetscht zu werden droht, registriert die Elektronik in Sekundensplittern einen winzigen Anstieg des Stromverbrauchs. Sofort wird der Motor gestoppt. „Reine Energieverschwendung“ sei der pausenlose Betrieb der Servolenkung, die eigentlich nur bei langsamer Fahrt gebraucht wird. Die Aufgabe des heute genutzten Hydraulikaggregats könnte künftig ein elektronisch geregelter Elektromotor übernehmen. Elektronisches Bremsen, Motor- und Getriebesteuerung, Klimaanlage und Isad, ein Ersatzaggregat für die Lichtmaschine, das bei Bedarf als zusätzlicher Antrieb fungiert und den Motor runder laufen lässt – überall sollen die Halbleiter künftig ihre elektronischen Finger haben (die Continental-Tochter Isad erhielt 1997 den Innovationspreis der deutschen Wirtschaft). Das System erkennt defekte Glühbirnen und ermöglicht das dynamische Bremslicht, das umso greller leuchtet, je heftiger der Fahrer in die Eisen steigt. Mehr Komfort, mehr Sicherheit, weniger Energie. „Bei konsequenter Nutzung der energiesparenden Elektronik sinkt der Benzinverbrauch um bis zu 1,5 Liter pro 100 Kilometer“, verspricht Ploss.

Die MOS-gesteuerten Leistungshalbleiterbauelemente, wie die Wunderdinger korrekt heißen, sollen ebenso den Haushalt erobern. Hersteller wie Miele und Bosch-Siemens-Hausgeräte haben sie schon in Waschmaschinen eingebaut. Vorerst steuern sie nur die Motorendrehzahl, könnten aber noch viel mehr, beispielsweise die rüttelnde. Wäschetrommel beim Schleudern zähmen. Kühlschränke brauchten weniger Energie und ganze Fabriken, in denen oft tausende Motoren laufen, könnten auf halbe Stromration gesetzt werden. „Wir erwarten ein überduchschnittliches Wachstum bei Leistungshalbleitern“, sagt Ploss. 2001 trug dieser Geschäftsbereich, der einzige mit deutlichem Wachstum, 20 Prozent oder 1,1 Milliarden Euro zum Infineon-Umsatz bei.

Zu dieser hoffnungsvollen Halbleiterfamilie zählt noch der Cool-MOS-Zweig, der schwergewichtige und energieschluckende Transformatoren und Gleichrichter überflüssig machen soll. Die kleinsten Modelle, die beispielsweise eingesetzt werden können, um den 220-Volt-Strom aus dem Netz für Mobiltelefone genießbar zu machen, sind nur stecknadelkopfgroß. Personalcomputer und Laptops im Netzbetrieb werden künftig von elektronischen Wandlern versorgt, die in den Stecker eingebaut werden, also keinerlei Platz wegnehmen. Die kleinen Dinger, und das ist die entscheidende Innovation, werden nur noch lauwarm, während heute genutzte elektronische Wandler aufwendig gekühlt werden müssen. Die Infineon-Techniker schafften das, indem sie dem Strom eine Art Tunnel in den Chip gruben, der nur dann durchlässig ist, wenn ein Stromfluss erwünscht ist. Ansonsten ist er absolut dicht. Durch schnellen Wechsel zwischen den beiden Zuständen entsteht hochfrequenter Wechselstrom, der beispielsweise Leuchtstoffröhren versorgen kann, sodass sie ohne Verzögerung brennen und nicht mehr flackern. Weitere Einsatzmöglichkeit der kühlen Chips: Sie reduzieren den Stand-by-Verbrauch von Hi-Fi-Geräten und Computern beinahe auf null.

Und die Konkurrenz? „Die ist nervös“, hat Lorenz beobachtet. Ploss sieht einen Technologievorsprung von drei bis fünf Jahren gegenüber den Konkurrenten. „Die dürfen gern versuchen aufzuholen“, sagt er großmütig und warnt gleich vor Illusionen: „Die Lernkurve verläuft äußerst steil.“
 

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