Endlich gefunden: Die Wahrheitsvernichtungswaffen


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Neuester Beitrag: 02.06.03 11:05
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95441 Postings, 8530 Tage Happy EndEndlich gefunden: Die Wahrheitsvernichtungswaffen

 
  
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01.06.03 01:05
...im hochmobilen Lügenlabor

Bush und Blair im Regress der Weltöffentlichkeit für ihre fiktiven Geschichten irakischer Bedrohungsszenarien

Von schrecklichsten Feinden war die Rede, von deren Bereitschaft, die freie Welt mit grausamsten Waffen aus der ABC-Kiste zu überziehen, von deren unmittelbar bevorstehender Absicht, alles, was uns lieb und teuer ist, zu zerstören. Amerika, dessen Militärs ohne Angst vor Widersprüchen einen Wochen-Feldzug im Irak ankündigten, zitterte. Und Bush zitterte wohl mit, als er den Befehl zum Angriff gab. Gerade ist es noch einmal gut gegangen: Im letzten Moment wurden dem Feind, wie es der völkerrechtlichen Lehre von zulässigen Präventionsschlägen entspricht, die Waffen aus der Hand geschlagen. Nun aber schwelt die "smoking gun" kräftig nach. Denn die Waffen gibt es wohl doch nicht, diese teuflischen "weapons of mass destruction" - die in Führerpalästen, Höhlen, mobilen Laboren oder im heißen Wüstensand haufenweise lagern sollen.


Wenn schon keine Waffen, so müssen doch wenigstens Erklärungen zu finden sein. Und die gibt es reichlich: Erklärungsmuster, die immer bizarrer und durchschaubarer werden. So redet man sich damit heraus, Saddam Hussein hätte die brisanten Gerätschaften nach Syrien verbringen lassen. Syrien streitet ab und echte Anhaltspunkte für diesen heißen Transport gibt es selbstverständlich nicht.

US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld bietet diese Lösung an: Saddam Hussein habe kurz vor der Invasion das Schreckensarsenal vernichten lassen. Nach endlosen Suchen, die nur imaginäre Bedrohungen an das Tageslicht beförderten, verfällt man auch auf diesen originellen Einfall: Der Irak habe nicht bewiesen, dass er solche Waffen nicht besitze. Der Irak habe solche Waffen seinerzeit besessen, aber eben ihre Entsorgung nicht nachgewiesen. Insofern war die Angst vor der Bedrohung zwar nur eine Anscheinsgefahr, aber somit begründet.

Mit anderen Worten: Ob die Waffen existieren oder nicht, spielt letztlich keine Rolle, gar keine Rolle mehr. Das Argument ist freilich nur eines, wenn man die Waffeninspektionen der UNO vergisst und auf Gründe verzichtet zu erklären, warum die Kontrollmaßnahmen abgebrochen wurden. Das Argument funktioniert zudem nur, wenn man gleichzeitig verdrängt, dass der Irak immerhin ein nicht ganz dünnes Dossier zu dieser Frage vorgelegt hatte (Weltpolitik als Farce).

Endlich Klartext von Wolfowitz

Nun beginnt also das apologetische Geschwätz in Washington und London - und jeder weitere Satz verstrickt die beiden Kriegsregierungen immer tiefer in den Begründungsnotstand. Doch wie dreist das Weiße Haus inzwischen mit dem negativen Befund umgeht, machen jetzt die unverblümten Äußerungen des stellvertretenden Verteidigungsministers Paul Wolfowitz gegenüber dem "Vanity Fair Magazine" deutlich: Man habe sich aus "bürokratischen Gründen", denen sich eben jeder anschließen könne, für die Version der Massenvernichtungswaffen entschieden:

The truth is that for reasons that have a lot to do with the U.S. government bureaucracy we settled on the one issue that everyone could agree on which was weapons of mass destruction as the core reason...

Diese Äußerung ist selbst eine Bombe. Denn ihr Sprengsatz lautet, dass man die Gründe, mit denen man die Stimmung der Weltöffentlichkeit aufheizte, selbst nie ernst nahm. Allein auf diese Weise hat Bush die heiß ersehnte "carte blanche" für seinen Krieg vom Senat erhalten können.

Bush und die Seinen reden sich jetzt damit heraus, es läge ein Versagen der Geheimdienste vor. Doch wohl nur umgekehrt wird ein Schuh daraus: Denn Washington soll massiven Druck auf die Geheimdienste ausgeübt haben, um die Begründungen zu liefern, die nie existierten (Lesen Sie den CIA-Bericht noch einmal!). Der peinliche Auftritt Colin Powells vor dem UN-Sicherheitsrat ist noch in guter Erinnerung (Nichts als die Wahrheit oder Onkel Powells Märchenstunde?). Da berief man sich, wie sich hinterher herausstellte, auf gefälschte Berichte, Skizzen und völlig veraltete Sachverhaltsdarstellungen. Für die New York Times steht inzwischen fest, dass Bush nie die Absicht hatte, im Irak bzw. vor dem UN-Sicherheitsrat eine diplomatische Lösung zu suchen. Dieser Vorstoß ist deshalb so bemerkenswert, weil nun auch, besonders nachhaltig in Großbritannien, zunächst eher zurückhaltende bis regierungsgläubige Medien beginnen, über Bush und Blair den Stab brechen.

Die Geheimdienste seien schuld

Tony Blair, der zeitweise eher wie ein fehl geleiteter Mitläufer von Bushs Hegemonialträumen erschien, steht nämlich selbst inzwischen auch mächtig unter Druck, an der Fabrikation seiner Kriegsgründe tatkräftig beteiligt gewesen zu sein. Die Kernaussage in einem Dossier über die irakische Fähigkeit, innerhalb von 45 Minuten einen Angriff mit chemischen oder biologischen Waffen lancieren zu können, soll auf Anweisung von Downing-Street No. 10 erfolgt sein. Das Regierungsdossier vom September 2002, das sich auf Geheimdiensterkenntnisse berief, soll kräftig aufgerüstet worden sein, um es Furcht erregend genug erscheinen zu lassen. Da wurde nicht lange nach Quellen gefragt oder diese gar überprüft, sondern es ging allein darum, das nebulöse Material für die Öffentlichkeit "sexy" genug zu gestalten.

Das Dossier vom Februar 2003 war ein noch armseligeres Desinformationskonstrukt, um demokratische Öffentlichkeiten zu täuschen. Kurzerhand hatte man die alte Uni-Arbeit eines amerikanischen Studenten abgeschrieben, um die aktuelle Gefahrenlage zu belegen. Auch die vormals so brisanten Erkenntnisse über die Versuche des Irak, sich nukleares Material in Südafrika zu beschaffen, gelten inzwischen als gefälscht.

Alastair Campbell, Blairs oberster spin-doctor, greift nun zu ähnlichen Verteidigungsstrategien wie Washingtons Offizielle, wenn er erklärt, dass nichts in den Berichten stehe, was nicht auf geheimdienstliche Tätigkeit zurückgehe. Und im inneren Machtzirkel Großbritanniens wird nicht mal mehr hinter vorgehaltener Hand darüber spekuliert, dass man solange weitersuchen werde, bis man etwas finde - und sei es schließlich nur aus politischen Gründen, um Blair die nötige Rückendeckung für sein irakisches Kriegsabenteuer doch noch zu beschaffen. Der smarte Premier, in Großbritannien bislang noch als der große "Persuader" bekannt, ergeht sich derweil in Hymnen auf die Befreiung des irakischen Volkes, weil das viel charmanter ist, als die immer stärker quälenden Fragen nach den Kriegsgründen plausibel zu beantworten.

Dabei waren insbesondere die britischen Geheimdienste MI6 and GCHQ selbst dagegen, die reichlich abgestandenen Informationskonserven mit wenig Inhalt für britische Kriegszwecke aufzuwärmen. Dort fürchtete man, hinterher als Verantwortliche für den britischen Präventionskrieg dazustehen. Und so weit ist man nun in der Tat: Downing Street dementiert, je Druck auf die Geheimdienste ausgeübt zu haben. Das passt in das Schema der üblichen angloamerikanischen Agententhriller: "Wenn man sie entdeckt, werden wir jede Verbindung zu ihnen oder Kenntnis von ihrer Person leugnen. Dieses Gespräch hat nie statt gefunden."

Ein Vertreter der britischen Regierung redet nun vom größten Fehler der Geheimdienste in der britischen Geschichte, wo doch die Fehler ganz woanders zu suchen sind. Klar doch, der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen. Mindestens ebenso ungeheuerlich wie die Geschichten aus den "Nähkästchen" der spin-doctors und Wolfowitz' Anmerkungen sind jüngste Umfrageergebnisse, dass viele Amerikaner inzwischen überzeugt sind, man habe die inkriminierten Waffen bereits gefunden oder sei sich zumindest nicht sicher, weil die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen wären. Mehr Aufklärung über den Stellenwert, den man von Seiten der Regierung der informationellen Selbstbestimmung in Mediendemokratien beimisst, braucht es eigentlich nicht mehr.

Das "Blair Bush Project" lehrt den Umgang mit Lügen

Das "Blair Bush Project" wird nicht dazu führen, dass sich die Justiz um sie kümmert. Immerhin sollten die Demokraten aber hier einen wunderbaren Grund finden, diese Politik der Blendung zu inkriminieren. Eine Demokratie setzt voraus, dass ihre Regierung in wesentlichen Angelegenheiten nicht lügt. Anderenfalls ist die freie Entscheidung der Bürger nicht mehr gewährleistet. Sollten also die Massenvernichtungswaffen erfunden sein, so wie auch die Beziehungen zu al-Qaida, gibt es für Bush und Blair gute Gründe zu gehen. Solche Vertrauensverluste beschädigen nicht nur die persönliche Integrität der sich hochmoralisch gebärdenden Führer, sondern auch die Demokratie in ihrer Gesamtheit.

In Großbritannien regen sich nun auch ernste Zweifel, ob man dieser Regierung noch länger vertrauen kann. Wie immer in Fällen kognitiver Dissonanz, wenn diese Fakten nicht mit jenen Wahrheiten harmonisieren, greift man zu immer neuen Erklärungen.

Der Historiker und Journalist William Shawcross erklärt uns, wie man in einer Zeit der Lügen nicht den Glauben verliert: "Ich glaube schlicht nicht, dass das Ganze eine Lüge war. Aber ich gebe zu, dass es mich verwirrt hat. Aber weil man Saddam Hussein immer noch nicht gefunden hat, heißt das ja auch nicht, dass er nicht existiert."

Auch Friedbert Pflüger, der diese so schlichte wie salomonische Feststellung gleich für die Merkel-Front (Rettet die CDU das christliche Abendland?) adaptiert hat, hat nicht den Hauch eines Zweifels, dass Saddam Hussein zu Beginn des Krieges die Massenvernichtungswaffen besessen hat. Woher er das weiß? Vermutlich liegen ihm geheimdienstliche Informationen vor, die bislang noch nicht enthüllt wurden. Stellt sich nur die Frage, woher der Geheimdienst diese Informationen hat. Ad infinitum.

Wolfowitz, der Mann der offenen Worte, pointierte seine originellen Einblicke in die Irrungen und Wirrungen der amerikanischen Regierungsbürokratie noch mit der Feststellung:

Was mich am meisten beunruhigt hat, war immer der Gebrauch von Massenvernichtungswaffen. Wir wissen immer noch nicht, warum sie nicht eingesetzt wurden.

Der Mann hat Charme, hat er doch selbst die Erklärung gegeben und gleich darauf wieder vergessen.

heise.de  

95441 Postings, 8530 Tage Happy EndBush und Blair im Lügen-Dickicht

 
  
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01.06.03 01:16
Bush und Blair im Lügen-Dickicht

Die Diskussion um die wahren Gründe des Irak-Kriegs bringt Washington und London in immer größere Bedrängnis. Einem Zeitungsbericht zufolge hatten selbst US-Außenminister Colin Powell und sein britischer Amtskollege Jack Straw vor dem Krieg schwere Zweifel an der Stichhaltigkeit der Beweise gegen den Irak.
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Tony Blair und George W. Bush: Zweifel an den wahren Kriegsgründen
REUTERS
GroßbildansichtTony Blair und George W. Bush: Zweifel an den wahren Kriegsgründen
Washington/London - Voller Irritation reagierte US-Präsident George W. Bush vor dem Irak-Krieg auf die Skepsis der europäischen Kriegsgegner. Zuhauf gebe es gesicherte Erkenntnisse über Saddam Husseins Arsenal an Massenvernichtungswaffen, wiederholte Bush gebetsmühlenartig - und forderte von den Zweiflern Vertrauen ein. Schließlich könne man aus Sicherheitsgründen nicht alle Geheimdienstinformationen veröffentlichen.

Nun zeichnet sich immer deutlicher ab, dass das Misstrauen der Kriegsgegner, allen voran Frankreich, Deutschland und Russland, berechtigt war. Ausgerechnet US-Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz, einer der schärfsten Befürworter des Kriegs, hatte den Stein ins Rollen gebracht. Gegenüber dem Magazin "Vanity Fair" hatte er erklärt, die USA hätten bei ihrer Argumentation für einen Irak-Krieg aus "bürokratischen Gründen" Massenvernichtungswaffen als Hauptkriegsgrund genannt. Dies sei etwas gewesen, dem alle hätten zustimmen können.

Straw und Powell im Zweifel vereint

Die US-Regierung und Wolfowitz relativierten die brisante Aussage, die in Europa für erheblichen Wirbel sorgte, umgehend. Nun aber tauchen weitere Details auf, die Washington und London weiter in die Defensive drängen dürften. Die britische Zeitung "The Guardian" berichtet unter Berufung auf ein Dokument, das derzeit in Diplomatenkreisen kursiere, dass US-Außenminister Colin Powell und sein britischer Kollege Jack Straw selbst schwere Zweifel am Vorgehen ihrer Regierungschefs hatten. Das Blatt beruft sich dabei auf ein Protokoll eines Treffens zwischen Powell und Straw kurz vor der entscheidenden Sitzung des Uno-Sicherheitsrats am 5. Februar, bei der Powell die Beweise der US-Regierung gegen den Irak vorlegte.

Irakische al-Samud-Rakete: Angeblich potentielles Chemiewaffen-Geschoss
AP
Irakische al-Samud-Rakete: Angeblich potentielles Chemiewaffen-Geschoss
In dem zehnminütigen Gespräch, das dem Bericht zufolge im New Yorker Waldorf-Hotel stattfand, äußerten Powell und Straw schwere Zweifel an der Stichhaltigkeit des Geheimdienst-Materials, das die Existenz irakischer Massenvernichtungswaffen belegen sollte. Straw soll sich besorgt darüber geäußert haben, dass sich die Behauptungen von US-Präsident Bush und Großbritanniens Premierminister Tony Blair nicht beweisen ließen. Ein Großteil des Geheimdienstmaterials bestehe aus Annahmen und Wertungen, die nicht durch harte Fakten untermauert seien.

Rache von frustrierten Nato-Diplomaten

Auch Powell habe schwere Bedenken gehabt: Bei Treffen mit Geheimdienstlern habe er "bestenfalls" Indizien gesehen, die hochgradig in Richtung des gewünschten Ergebnisses interpretiert worden seien. Handfeste Informationen aber seien Mangelware gewesen. Powell, so der "Guardian", habe gegenüber Straw gesagt, er hoffe, dass das Material nach seiner Veröffentlichung "uns nicht um die Ohren fliegt".

Die so genannten "Waldorf-Mitschriften" machen nach Informationen des "Guardian" derzeit unter Nato-Diplomaten die Runde. Vermutlich hätten ehemalige Kriegsbefürworter in den Reihen der Nato die Papiere lanciert, da sie mittlerweile der Meinung seien, durch Lügen zur Unterstützung des Kriegs gebracht worden zu sein.

Drohung von US-Politikern

Amerikanische Parlamentarier denken mittlerweile ähnlich. Jane Harman, demokratische Abgeordnete im US-Repräsentantenhaus, sagte der "Los Angeles Times", sie und andere hätten ihre Zustimmung zum Krieg auf Basis der Behauptung des Weißen Hauses gegeben, der Irak stelle eine unmittelbare Gefahr für die Vereinigten Staaten dar. "Sollte sich herausstellen, dass diese Information falsch war", drohte Harman, "wird das die Glaubwürdigkeit der Regierung bei jeder Argumentation für einen künftigen Krieg erschüttern."

Colin Powell bei der Beweis-Vorlage im Uno-Sicherheitsrat: ''Hoffentlich fliegt uns das nicht um die Ohren''
REUTERS
GroßbildansichtColin Powell bei der Beweis-Vorlage im Uno-Sicherheitsrat: "Hoffentlich fliegt uns das nicht um die Ohren"
Bei der Übertreibung des Bedrohungsszenarios war offenbar auch die britische Regierung maßgeblich beteiligt. Eine der zentralen Behauptungen von Tony Blair vor dem Krieg war, dass die irakische Armee binnen 45 Minuten nach dem Befehl Saddam Husseins einen Angriff mit Chemie- oder Biowaffen über große Entfernungen starten könne. Ein britischer Geheimdienst-Mitarbeiter sagte der BBC, dass dieser Passus auf Anordnung von Regierungsbeamten in das Irak-Dossier eingefügt worden sei - trotz fehlender Absicherung durch Fakten. Adam Ingram, Staatsminister im britischen Verteidigungsministerium, räumte wenig später ein, dass die Behauptung der 45-Minuten-Gefahr von einer "einzelnen Quelle" stamme, deren Informationen "nicht bestätigt" gewesen seien.

Selbst ranghohe US-Militärs rücken mittlerweile von der Sprachregelung ihrer Regierung ab. General James Conway, Oberbefehlshaber des US-Marinekorps im Irak, nannte die Geheimdienstinformationen "schlicht falsch", nach denen Saddam Hussein die alliierten Truppen mit biologischen oder chemischen Waffen habe angreifen wollen.

"Es ist einfach nichts da"

Dass bisher keine Massenvernichtungswaffen im Irak gefunden wurden, habe ihn vollkommen überrascht, gab Conway gegenüber der "Los Angeles Times" zu. "Und es liegt nicht daran, dass wir es nicht versucht hätten", betonte der Kommandeur des 1. Marine-Expeditionskorps. "Wir haben praktisch jedes irakische Munitionslager zwischen der kuweitischen Grenze und Bagdad untersucht. Aber es ist einfach nichts da."

Angeblicher Beweis gegen den Irak: Luftbild einer irakischen Raketenfabrik
REUTERS
GroßbildansichtAngeblicher Beweis gegen den Irak: Luftbild einer irakischen Raketenfabrik
Das britische Außenministerium in London bezeichnete den Bericht des "Guardian" unterdessen als "schlicht unwahr". Auch Powell dementierte: Die USA hätten "solide" Informationen über Saddams Waffen gehabt. CIA-Direktor George Tenet wies in einer Stellungnahme den Verdacht zurück, politische Gründe hätten die "Integrität" der Geheimdienst-Analysen beeinträchtigt. Tony Blair nannte die Vorwürfe "absolut absurd". US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld erklärte: "Dieser Krieg wurde nicht unter einem falschen Vorwand geführt".

Blair sagte während eines Besuches in Warschau, er habe keine Zweifel, dass früher oder später Massenvernichtungswaffen im Irak gefunden werden. Sein Kollege George W. Bush ist da schon weiter. "Wir haben die Massenvernichtungswaffen gefunden", erklärte der US-Präsident während seiner Polen-Visite. Gemeint waren zwei Lkw-Labors, die der Geheimdienst CIA zuvor entdeckt hatte. Dass Spezialisten keinerlei Spuren von Giftstoffen in den Lastwagen gefunden hatten, störte den Präsidenten nicht weiter: "Wer sagt, wir hätten die verbotenen Produktionsanlagen oder verbotenen Waffen nicht gefunden, liegt falsch."

 

95441 Postings, 8530 Tage Happy EndWir haben Massenvernichtungswaffen gefunden

 
  
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01.06.03 01:18
Bush war in einem Interview mit dem polnischen Fernsehen auf die wachsende Kritik an der Begründung für seinen Irak-Feldzug eingegangen. Er nannte zwei mobile Lkw-Labors, in denen die Iraker biologische Waffen hätten herstellen können, als Beweis für die Existenz von Massenvernichtungswaffen. "Wir haben die Massenvernichtungswaffen gefunden", erklärte der US-Präsident. Die mobilen Labore seien illegal gewesen. "Wer sagt, wir hätten die verbotenen Produktionsanlagen oder verbotenen Waffen nicht gefunden, liegt falsch."

Der Präsident ging sogar noch wesentlich weiter als seine Regierung, indem er den Fund weiterer Waffen ankündigte. Bis heute hatten die US-Behörden nicht den Anspruch erhoben, sie hätten irgendeine biologische, nukleare oder chemische Waffe im Irak gefunden. Im Gegenteil: Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hatte erst vor einigen Tagen verkündet, Saddam Hussein hätte möglicherweise alle verbotenen Waffen vor Kriegsbeginn zerstört. Sein Vize, Paul Wolfowitz, hatte gar in einem Interview mit dem Magazin "Vanity Fair" erklärt, die Suche nach verbotenen Waffen hätte den Amerikanern nur als Vorwand gedient, um Unterstützung im In- und Ausland zu gewinnen.

Der US-Geheimdienst CIA hatte kürzlich erklärt, zwei im Irak gefundenen LKWs könnten möglicherweise als Labore zur Herstellung von verbotenen Waffen gebraucht werden. Dies sei die einzig logische Erklärung für die Existenz der LKWs, da sie für eine zivile Nutzung zu teuer sein. Spezialisten fanden indes keinerlei Spuren von Giftstoffen.

spiegel.de  

4690 Postings, 8643 Tage proxicomiBrief an einen 68er

 
  
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01.06.03 11:14
Brief an einen 68er

von Maximilian Ohl

Lieber Onkel Jo;

ob und wie du euer 35-Jähriges, die Entdeckung des Bewusstseins eurer Generation, eure Revolution oder wie du es nennen magst, feierst Wann macht man denn das eigentlich? Zum Jahrestag des Dutschke-Attentats? Des Vietnam-Kongresses? Des Notstandsgesetze-Sternmarsches? -, weiß ich nicht. Vielleicht mit ein paar Kumpels von damals in der Kneipe, vielleicht zu Hause vor der Glotze, wo man jetzt so schön den chirurgischen“ Bomben beim Knallen zugucken kann, vielleicht in der Tennis-Kantine, zu der ihr so gerne in euren Cabrios gondelt, wenn wieder einmal ein Arbeitstag in der Schule, im Amt oder im Professorenzimmer vorbei ist? Ich weiß es nicht, du hast auch seit Jahren nichts mehr von dir hören lassen, aber ich hoffe, ihr genießt es in vollen Zügen. Ich gönne euch eure gerade zu solchen Jubiläen meist mit leichten Spurenelementen von Larmoyanz versetzte Gespreiztheit, weil ich selbst gerne wehmütig an meine Jugend zwischen Challenger-Katastrophe und Einigungsvertrag zurück denke. Und auch wenn und vielleicht gerade weil wir ja alle nicht wissen, wie das bei euch damals wirklich war und ihr deshalb immer leicht mürrisch werdet, wenn einer über eure Erzählungen den Kopf schüttelt, habe ich Verständnis für euch, vielleicht mehr, als ihr es immer hattet, wenn sich Opa früher auf ähnliche Weise versucht hatte, sich euren Diskursen über seine Jugend zu entziehen. In letzter Zeit seid ihr ja immer so verbiestert, ganz anders als damals, als ihr uns noch mit leuchtenden Augen über das Kommunardenleben und die Stadtguerilla erzählt habt.

Es tut mir Leid, dass ihr an Tagen wie diesen oft so alleine seid und meist unter euch bleibt. Versteht es nicht als Undank, aber eurem Durchblick, eurem scharfen Verstand, eurer überlegenen Moral konnte und kann leider nun mal keiner mehr von uns Nachgekommenen das Wasser reichen, und da fühlen sich leider so viele von uns schuldig oder minderwertig.

Immerhin haben wir in dieser Hinsicht gegenüber unseren Großeltern dazu gelernt, die hatten sich ja bis zuletzt immer der Konfrontation mit ihrer eigenen Schuld verweigert und trotzig an dem Bild festgehalten, das sie von ihrer Jugend gewonnen hatten, anstatt sich von euch leider zu spät Gekommenen pflichtschuldigst darüber aufklären zu lassen, wie es wirklich war.

Zwar hatten, wie ihr uns gerne belehrt, viele von ihnen die gerechte Strafe für ihre unsühnbaren Verbrechen bekommen: Die Mörder in Uniform, die an der Front oder in der Gefangenschaft verreckten, die mit dem Kainsmal geborenen Nazi-Kinder ja, irgendwie schlummerte auch in euch schon immer eine religiöse Ader -, die durch Bomben oder die Gewehrläufe der Sieger sterben mussten, die vielen schuldigen Mütter, deren verklemmter Sexualmoral die Rote Armee beizeiten auf die Sprünge half oder die Vertriebenen, die bekanntlich Dem Herrgott? Den Siegern? Oder beiden? Oder ist das das Selbe? dafür dankbar sein mussten, dass man sie nur vertrieben hatte. Aber es waren ja noch einige übrig geblieben, und anstatt anständige Trauerarbeit zu leisten, hatten sie ihre Energien auf den Wiederaufbau gerichtet und euch in eine Kindheit in Demokratie und Wohlstand gezwungen. Damit hatten sie euch aber die Chance genommen, vorzuführen, wie man Widerstand hätte leisten können, denn irgendwie schienen zu viele den Eindruck gewonnen zu haben, Opposition in der Bundesrepublik Deutschland und Opposition im Dritten Reich wären nicht ganz das Selbe. Und ich bin mir nach dem, was ich gelernt habe, nicht allzu sicher, dass eure Eltern noch in der Lage gewesen wären, nach 20 Semestern einen Studienabschluss machen und an Universitäten, in Redaktionsstuben oder Behörden die Karriereleiter hoch steigen zu können, hätten sie zu ihrer Zeit versucht, dem Gröfaz und seiner Gang mit Sit-ins und Tastkinos den Diskurs über Feminismus und die Notwendigkeit eines kontinentaleuropäischen Kong aufzuzwingen. Gut, Letzteren gab`s ja auch noch nicht.

Es war aber trotzdem allererste Sahne, wie ihr es denen gegeben hattet, diesen Tätern, die es gewagt haben, in einer zu allem entschlossenen Diktatur die Fresse zu halten und einfach nur zu versuchen, zu überleben.



Im Schulalter sind mir in diesem Zusammenhang ja auch oft so manche dummen und unreifen Gedanken gekommen. Denn da haben wir gelernt, dass Pauschalurteile und Voreingenommenheiten eigentlich ziemlich Scheiße sind, und dass trotzdem viele Leute so etwas haben würden, zum Beispiel gegen Gastarbeiter oder so. Ich kannte zwar damals weder Gastarbeiter noch Leute mit Vorurteilen gegen diese persönlich, aber mir leuchtete das irgendwie ein, dass es natürlich Quatsch ist, Menschen kollektiv wegen irgendwelcher Eigenschaften oder ihrer Herkunft anzumachen und ich hätte dies deshalb auch nie im Leben gemacht. Denn wir hatten nur allzu oft zu Hause, in der Schule und überall sonst gehört, dass alle Menschen gleich und vor allem gleich viel wert seien, und irgendwie war das für uns auch selbstverständlich. Den wer sollte denn auch und vor allem mit welchem Recht sollte er entscheiden, dass die einen weniger wert sein sollen als die anderen?

Dass ich das nicht ganz richtig sehe, musstet ihr mir dann erst vor Augen führen. Denn als ich euch euer Deutschland verrecke“ brüllen hörte, wenn die Veteranen am Volkstrauertag ihrer gefallenen Schulfreunde und Verwandten gedachten und ihr mir erklärt hattet, dass unsere Großeltern, die um Haaresbreite Krieg und Vertreibung überlebt hatten, deutsche Täter“ und keine Opfer wären und kein Mitleid verdient hätten, da fiel mir immer ein, dass wir gelernt hatten, dass es eigentlich die Nazis waren, die immer gesagt hatten, dass das Schicksal dem Stärkeren immer Recht geben würde und der Schwache kein Mitleid verdiene. Für einen Moment meinte ich tatsächlich, ihr wärt mit solchen Sprüchen kaum einen Deut besser. Ich bin euch dankbar, dass ihr mich dann immer gleich aufgeklärt hattet, dass solche Gedanken eine Verharmlosung“ der Nazis darstellen und deshalb wirklich mega Scheiße sind, denn schließlich seien ja die Deutschen“, und einem solchen Wortlaut nach sind das ja ausnahmslos alle, an allem schuld, also auch Oma und Opa, und wer dann meint, auch ihnen sei Unrecht widerfahren, der spiele damit automatisch die Nazi-Verbrechen herunter.

Wenn ihr hingegen zu eurer Zeit Adenauer oder Schmidt oder zu unserer Zeit Kohl und Dregger oder Schönhuber mit Hitler oder Goebbels verglichen hattet, dann war das auch wenn wir in der BRD der 80er-Jahre nicht im Entferntesten etwas von einer autoritären Staatswillkür bemerkt hatten - natürlich keine Verharmlosung, sondern der Ausdruck einer besonderen Sensibilität und eines besonders kritischen Bewusstseins. Denn immerhin war immer Wachsamkeit geboten, habt ihr uns erklärt, egal ob es jetzt um Fragen des Asylrechts oder des Bildungssystems oder um die Abtreibung oder auch nur um das Aufstehen bei der Nationalhymne ging, zu dem uns unsere Großeltern anhielten. Immer roch es für euch nach Nazis, wenn euch eine Meinung nicht gepasst hatte, und immer wenn ihr diese Keule ausgepackt habt, dann war es immer, um zu warnen und nie, um zu verharmlosen. Auch wenn ich nicht immer wirklich verstanden habe, wann nun genau ein Nazi-Vergleich kritisch ist und wann verharmlosend, freue ich mich des Privilegs, einer Generation angehören zu dürfen, der von den richtigen Leuten gesagt wird, was zu tun ist und wie das Denken zu funktionieren hat, nämlich von euch. Denn wer so lange studiert, so viele Texte geschrieben und dabei so viele Fremdwörter verwendet hat, der muss doch was auf dem Kasten haben. Und das hat wohl in eurem Fall auch nichts mit Autoritätshörigkeit zu tun, sondern mit Vertrauen.

Vielleicht sind wir euch auch wirklich zu wenig dankbar für das, was ihr erkämpft habt. Ihr habt eure maßgeschneiderte Rolle als gute Gouvernanten verinnerlicht. Ohne euch keine Pille ohne Trauschein, ohne euch keine Joints im Schülerlandheim, ohne euch keine Selbsterfahrungsyoga, keine Sühnezeichen-Dienste, keine hoch subventionierten Asphaltliteraten, deren Werke bisweilen in Stil und Inhalt eine gemessen an eurem individualistisch-emanzipatorischen Anspruch doch auffällige Parallelität aufweisen.

Und ohne euren heroischen Kampf gegen Prüderie, Patriarchat und postfaschistischen Konsens müssten Hunderttausende Jugendliche wohl in ihrer Freizeit heute Popel schnipsen, Backgammon spielen oder Hauptmann lesen, anstatt mit 13 aus Erfahrung über Sex quatschen oder mit 14 im Vorstand des örtlichen Schülerkomitees gegen Rechts sitzen zu können.

Aber Undank ist der Welten Lohn. Und so musstet ihr nicht nur schweren Herzens zusehen, wie sich viele eurer Kinder von eurem selbstbeweihräuchernden Apo-Gelaber nicht nur genervt fühlten, sondern vermehrt auch in dem Moment, wo nicht mehr die Tätergeneration“, sondern ihr selbst die Bestimmenden wart, Dinge wie Toleranz, das Recht auf Kritik und Selbsterfahrung oder auf den eigenen Lebensentwurf, kurzum all das, was ihr für euch reklamiert hattet, für sich nun von euch verlangten.

Und da passierten schlimme Dinge. Da gab es Leute, die jünger waren als ihr und die sich über die Wiedervereinigung freuten, anstatt die Teilung als gerechte Strafe für deutsche Schuld“ zu akzeptieren, wie ihr es ihnen beigebracht hattet.

Da gab es Typen, die beim deutschen Gewinn der Weltmeisterschaft gejubelt haben, statt sich vor dem aufkeimenden Neofaschismus zu fürchten, die lieber nach dem Abi Geld verdienen wollten als lange Jahre auf den Campus zu gehen, um Theorien über Sozialismus und Emanzipation zu diskutieren. Und da gab es Leute, die lieber mit Frau und Kindern aufs Land ziehen wollten als in karg eingerichteten WG-Kojen wurmstichiger Altbauhäuser der befreiten Sexualität zu huldigen. Mittlerweile drängt es sogar immer mehr Homos von denen ihr immer gedacht hattet, das wären welche von euch ins bürgerlich-reaktionäre Zwangskorsett der Ehe und Familie: Undankbare Nattern und Hyänen also, so weit das Auge reicht, die den Älteren den ihnen gebührenden Respekt versagen. Ihr Tabubrecher der Alten von Gestern musstet nun selbst erfahren, wie ihr selbst zu Alten geworden wart, die Tabus aufgezogen hatten, die nun in Frage standen.

Oft muss ich jetzt, wo es wieder wärmer wird, an den Grillabend auf Marthas Sitzterrasse denken, als die nach dem ersten Weinschoppen beim Anheizen von der sexuellen Revolution“ zu schwärmen begann und davon, wie damals die dummen deutschen Spießer aufgemischt wurden, und mein Schulkumpel Mischa nichts Besseres zu tun hatte, als danach bei den fertigen Buletten vor der gesamten Mannschaft damit zu prahlen, beim letzten Mal die Reps gewählt zu haben. Ich glaube, da müssen wir mal reden“, hattest du damals mit verfinstertem Gesichtsausdruck gesagt, viele hatten es plötzlich eilig, zu gehen, und während du uns dann bis in die frühen Morgenstunden vollgelabert hast, wurde Martha ganz still und führte einen erbarmungslosen Vernichtungskrieg gegen den Inhalt mehrerer Cognac-Flaschen, den sie nach mehreren Stunden verlor.

Und obwohl Mischa am Ende zerknirscht gelobte, es nie wieder zu tun, und jener SDS der "runter89er“, der euch damals über eine ganze Weile hinweg zur Weißglut getrieben hatte, schon wenige Jahre später den Bach runter ging, fiel mir auf, dass es eines der letzten Male gewesen war, wo man miteinander GEREDET hatte. Irgendwann in den 90ern hatte man sich dann nur noch angeschwiegen, und nicht nur das. Man hat nicht mehr miteinander, sondern nur noch übereinander geredet. Wo es euch nicht gelang, eure Kinder zu bekehren, seid ihr ihnen in den Rücken gefallen, wie ihr es bereits bei euren Eltern getan hattet. Als man plötzlich lange zugesagte Praktika nicht bekam, in den Seminaren von den interessanten Themen ausgesperrt blieb und einen die Vorzimmerdame jedes Mal anglotzte, als hätte sie zwei Stunden zuvor ihren Ehemann mit der Schwester, oder eher noch mit einem selbst im Bett erwischt, da erfuhr man eines Tages über mehrere Ecken, dass jemand anonym an diversen Stellen gegen einen Stimmung gemacht hätte von wegen Radikaler und Fascho und so.

Je stärker der Zahn der Zeit die Institutionen von eurem damaligen Feindbild, der Kriegsgeneration gesäubert hatte und je konsequenter die freien Plätze mit euresgleichen aufgefüllt wurde, umso mehr habt ihr gezeigt, dass auch so friedliche und tolerante Leute wie ihr nicht frei von jenem gerechten Zorn sind, der die Aufrechten befällt, wenn es darum geht, das Gute zu lehren und wenn die antiautoritären Mittel der Erziehung dabei versagen. Denn wer wie ihr der grundsätzlichen Erziehbarkeit des Menschen stets einen so überragenden Stellenwert beigemessen hat, der muss eine Verweigerung der Annahme des mühevoll Gelehrten doch geradezu auch als einen Angriff auf die persönliche Ehre verstehen.

Nachdem die puritanischen Zeloten der Gutmenschen-Moral in Form der autonomen Antifa“ im Widerstreit gegen das Böse schon längst das dereinst von euch vehement bekämpfte erzieherische Züchtigungsrecht wieder entdeckt hatten und fortan gegenüber Abweichlern für sich beanspruchten, ist euch spätestens in dem Moment, wo ihr allein das Establishment wart, plötzlich der Wert jener Einrichtungen auf institutioneller Ebene aufgegangen, gegen die ihr in jüngeren Jahren immer als angebliche Ausdrucksformen eines faschistischen Staats gewettert hattet. Hattet ihr noch in der Hochblüte der RAF, als immer wieder mal ein Kapitalistenschwein“ unter johlender Anteilnahme der Sympathisantenszene publikumswirksam platt gemacht“ wurde, für die Abschaffung des gesamten politischen Strafrechts plädiert, so fordert ihr nun Unnachgiebigkeit und stählerne Härte bereits gegen spätpubertäre Suffköppe, die um vier Uhr morgens dumme Parolen durch die leere Fußgängerzone grölen, die viele von ihnen ohne eure ständige Aufarbeitung der Vergangenheit“ gar nicht mehr kennen würden. Waren euch einst Berufsverbote“ gegen kommunistische Briefträger ein Gräuel, würdet ihr nun die öffentlichen Institutionen am Liebsten selbst von ehemaligen Mitgliedern rechter Parteien säubern. Und selbst am publizistischen Stil der Springer-Boulevardpresse, dereinst bei Böll mit Katharina Blum“ zu literarischen Ehren gekommen, habt ihr mittlerweile Gefallen gefunden. Denn die Medienhatz gegen Faschisten“ ist schließlich keine Menschenjagd gegen anders Denkende, sondern da Faschismus“ bzw. das, was ihr darunter versteht, ja keine Meinung ist, sondern ein Verbrechen ein Akt der vorpolizeilichen Aufklärung und Fahndung, eine Art XY-Surrogat für die Wahrer der von euch bestimmten Verfassungswirklichkeit.

Ich will euch eure Feierlaune nicht versauen. Ich will auch nicht selbst in die Rolle des Durchblickers schlüpfen, der alles besser wissen würde als die Alten, die füllt ihr seit jeher besser aus als ich es jemals könnte. Aber eines steht für mich fest: Ihr seid im Laufe der Jahre selbst zu dem geworden, was euer Wortführer Dutschke einst als bürokratische Charaktermasken“ gescholten hatte - autoritäre Tugendwächter und gestrenge Zuchtmeister, die mit der Rute in der Hand das Seelenheil der Menschheit gegen die Sünde der Ketzerei behaupten. Ich weiß, ich weiß: Eure Obrigkeitsfixierung, Eure Sittenstrenge dienen schließlich einem guten Zweck, sie soll dem Menschen helfen, sich zu emanzipieren und von den Zwängen zu befreien, die ihn von seinen wahren Bedürfnissen entfremden. Und diese zu erkennen und zu definieren sind nur durch Tausende WG-Nächte theoretisierenden Gelabers über Patriarchat und Proletariat gestählte akademische Eliten aus dem Bereich der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften fähig. Wo deren Herrschaft im Sinne des Guten ausgeübt wird, hat sich eure ehemalige Forderung nach einem herrschaftsfreien Diskurs“ natürlich überlebt. Die Folge ist leider, dass ihr in Folge der hermetischen Abschottung eures erlauchten Bewusstseins von störenden Einflüssen von außen bei gleichzeitig steigender Unduldsamkeit gegenüber falschen“ Auffassungen zwangsläufig immer mehr unter euch bleiben werdet. Und das lässt mich auch befürchten, dass ihr euer 35-jähriges Jubiläum meist nur im eigenen Saft schmorend begehen werdet.

Wir Nachgekommene hingegen müssen mit der Bürde leben, nicht so gut zu sein wie ihr, nie euren weiten Erkenntnishorizont und eure intellektuelle Stufe erreichen zu können und immer in eurer Schuld zu stehen für all das, was ihr erreicht habt. Vielleicht ist diese Erkenntnis einer jener Gründe für den Narzissmus, die Selbstbezogenheit und die Weigerung weiter Teile meiner Generation, erwachsen zu werden. Vielleicht sind Stefan Raab, Die Camper“ oder Ballermann 6“ Fluchtpunkte in einer Welt, die zu erklären ihr das Monopol erkämpft habt und die ihr durch Tabus und Denkverbote gegenüber potenziellen Eindringlingen aus den Generationen vor und nach euch vermint habt. Vielleicht ist die infantilistische Spaßgesellschaft unserer Tage deshalb auch eine Art der Subversion einer ernüchterten Generation“ (Sängerin Kate Ryan) gegenüber der repressiven Sauertöpfigkeit eurer allumfassenden Definitionshoheit. Ihr habt uns verboten, gegenüber unseren Großeltern, unserem Land, gegenüber den Traditionen und Wertvorstellungen, die Generationen vor euch hochgehalten haben, Dankbarkeit und Respekt zu empfinden. Deshalb nehmen sich viele von uns die Freiheit, diese Dankbarkeit und diesen Respekt nun auch euch zu verweigern.

Gruß, Max


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gruß
proxi  

95441 Postings, 8530 Tage Happy EndDer arme proxicomi

 
  
    #5
01.06.03 12:19
...fällt Dir wieder nichts besseres ein, als Erwiderung Schrifttum extrem rechter Webseiten zu verbreiten? Lesen muss ich´s ja hoffentlich nicht mehr , da ich denke, dass die Ergüsse dieser Internetseite alle nur ein konstruktives Thema haben: Alles was "links" von Haider ist, ist volksschädlich....

Musst ja wieder ganz schön verzweifelt sein...
 

4690 Postings, 8643 Tage proxicomiHappy & das FASCHISMUSKEULEN - SYNDROM

 
  
    #6
01.06.03 12:27
happy durchatmen und alles auf sich wirken lassen.

ob das nun aus der webseite http://www.konservativ.de kopiert wurde oder nicht. fakt ist das dieser brief dritten, die nicht so involviert sind, in politische zusammenhänge wie wir, die augen öffnet.

über diese "grünen".

der brief ist doch nett, hier werden die "grünen" hervorragend vorgeführt.
übrigens ist in dem brief, auch deine neurose hervorragend dargestellt.


gruß
proxi
 

95441 Postings, 8530 Tage Happy Endproxicomi, Du bist einfach spitze

 
  
    #7
01.06.03 12:31
Mit Dir kann man wunderbar spielen, denn nach Dir kann man die Uhr stellen: Deine Reaktion fällt immer genauso aus, wie man es erwartet, da Du nicht auf andere eingehst, sondern stur immer Deine Programm abspielst. Ich glaube, nur wenige IDs bei ARIVA sind so einfach gestrickt wie Du *lol*

 

95441 Postings, 8530 Tage Happy Endhier auch DK

 
  
    #8
02.06.03 11:05

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