Das Kapital: Microsoft am Scheideweg


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24.01.01 21:52
Aus der FTD vom 22.1.2001  
Das Kapital: Microsoft am Scheideweg

Microsoft ist in einer entscheidenden Phase der Unternehmensgeschichte. Die Umsätze mit Anwendungsprogrammen wie Excel oder Word wachsen nicht mehr, der PC-Markt ist so gut wie gesättigt.

Das kann man Microsoft nicht vorwerfen, denn so geht es letztlich auf jedem Markt. Jetzt probiert es das Software-Unternehmen mit betrieblicher Software, Videokonsolen, Internet-Software, Portalen, Web-Fernsehen et cetera. Die dieses Jahr geplante Einführung der Videokonsole XBox soll mit 500 Mio. $ beworben werden, um gegen Sony einen Fuß auf die Erde zu kriegen. Beim Internet-Dienst MSN will das Unternehmen 1 Mrd. $ investieren. Neue Internet-Kunden sollen mit Rabatten im Gegenwert von 400 Mio. $ geködert werden.

Microsoft kann sich das und andere Investitionen ohne weiteres leisten. Das Unternehmen hatte im abgelaufenen Quartaleinen Cash-Flow von 2,9 Mrd. $ und liquide Mittel von 27 Mrd. $. Zudem hat es wohl keine andere Wahl als zu erweitern, umweiter als Wachstumsunternehmen wahrgenommen zu werden. Aber im Gegensatz zum Stammgeschäft ist es auf keinem der neuen Felder der Platzhirsch. Es muss sich mit Wettbewerbern wie Sony, Oracle oder AOL herumschlagen.


Microsoft selbst ist klar, dass die zusätzlichen Investitionen auf die Marge drücken werden, die operativ sagenhafte 49 Prozent vom Umsatz ausmacht. Das hat Finanzvorstand John Connors auch vergangene Woche eingestanden. Die Frage ist, was mehr wiegt: die Margenverschlechterung (die früher oder später auch im Kerngeschäft kommen wird) oder das zusätzliche Wachstum. Wie das KGV von 34 zeigt, glauben die Märkte an das Wachstum.


Mit den unfassbaren finanziellen Mitteln im Rücken kann Microsoft die Erwartungen vielleicht erfüllen. Aber es muss auch aufpassen, nicht zu einem Gemischtwarenladen zu werden, der sich nur noch schwer kontrollieren lässt. Ob es auf dem Neuland den jetzigen unternehmerischen Erfolg jemals wiederholen werden kann, ist ungewiss, weil Wissen und Erfahrung fehlen. Schafft es Microsoft, kann es nach der Kurshalbierung seit Dezember 1999 lukrativ werden, auf die Aktie zu setzen. Aber riskant ist diese Wette allemal. Vermutlich ist die beste Strategie, abzuwarten und zu sehen, was Microsoft liefert. Immerhin geht es um einen Gegenwert von 325 Mrd. $. Der will erst einmal erwirtschaftet werden.



Halbleiterbranche


Halbleiterwerte sind an der Börse wieder gefragt. Die großen europäischen Chiphersteller STMicroelectronics, Infineon und Philips werden in den nächsten drei Wochen ihre Quartalszahlen vorlegen. Es ist mit starken Ergebnissen zu rechnen. Wie sie aufgenommen werden, hängt vor allem davon ab, wie der Ausblick für das laufende Jahr ausfällt.


Die Halbleiterindustrie folgt ihrem eigenen Zyklus von etwa vier Jahren, der neben der Nachfrage mit dem Aufbau neuer Produktionsanlagen zusammenhängt. Das Jahr 2000 war ein Zyklushoch und brachte der Industrie einen Absatzrekord. Nach Schätzung der Semiconductor Industry Association lag das weltweite Umsatzplus bei 37 Prozent,gegenüber einem langjährigen Durchschnitt von 17 Prozent. Im vierten Quartal hat sich das Wachstum abgeschwächt, aber die Preise sind noch nicht so stark gefallen wie nach den zyklischen Hochs von 1996 und 1998. Die Quartalszahlen der Halbleiterhersteller dürften daher gut ausfallen.


Der Chipzyklus wird aber von der Gesamtkonjunktur überlagert. Kommt es in den USA zu einer weichen Landung, dann dürften sich die Gewinne der Halbleiterproduzenten dieses Jahr nur noch gemächlich entwickeln. Dieses Risiko ist in den derzeitigen Kursen bereits enthalten. Von einer weichen Landung würde - zumindest vorübergehend - STMicroelectronics profitieren. Das Unternehmen wächst wegen seiner überlegenen Produktpalette überdurchschnittlich, ist aber etwa so hoch bewertet wie Infineon.


Bei einer harten Landung könnte das Branchenwachstum bei null liegen odernegativ werden. Die Deutsche Bank rechnet dann nicht nur bei Infineon mit Kursrückgängen von bis zu 70 Prozent, sondern auch bei STMicro. Nur Philips dürfte glimpflicher davonkommen In dem Fall wäre es von Vorteil, ein Gemischtwarenladen zu sein und nicht nur von den Chips abzuhängen.


Die Variante der harten Landung wäre besonders bitter für ASM Lithography (ASML). Die Niederländer sind ein führender Hersteller von Maschinen, mit denen die Chipproduzenten die Schaltkreise auf die Halbleiterrohlinge drucken. ASML kann rund 440 davon pro Jahr ausliefern. Das Orderbuch ist zurzeit gut gefüllt, fürs laufende Jahr hat ASML schon 255 Aufträge. Das würde die Kapazitäten bis weit über die Jahresmitte auslasten. Geht bei den Chipproduzenten aber der Absatz in die Knie, so könnten sie noch in letzter Minute ihre Bestellungen widerrufen. Man muss also höllisch aufpassen.



© 2001 Financial Times Deutschland

gruß
proxi  

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