Auferstehung von den Toten


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Neuester Beitrag: 07.06.03 20:57
Eröffnet am:07.06.03 20:57von: NassieAnzahl Beiträge:1
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16074 Postings, 8190 Tage NassieAuferstehung von den Toten

 
  
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07.06.03 20:57
Die Deutsche Börse hat den Nemax All Share endgültig eingestellt. Einige Perlen aus der dritten Reihe fristen nun ein Dasein im Schatten - zu Unrecht Ulrich Machold
von Ulrich Machold

Stell dir vor, es ist Beerdigung - und keiner geht hin. Ungefähr so unspektakulär schied der Nemax All Share, die skandalgeschüttelte Ex-Spielwiese der New Economy, am Mittwochabend endgültig aus der Welt. In Zukunft wird die Deutsche Börse den breiteren der beiden ehemaligen Neuer-Markt-Indizes nicht mehr berechnen. Der große Bruder des All Share, der Blue-Chip-Index Nemax 50, wird noch bis Ende 2004 am Leben gehalten, um Fonds und Banken die Umstellung ihrer Nemax-Produkte auf den am 24. März eingeführten Neuer-Markt-Nachfolger TecDax zu ermöglichen. Dann wird auch hier der Stecker gezogen. Das wohl aufregendste Stück der deutschen Börsengeschichte - zu den Akten.


Schon seit der März-Umstellung hatten die Aktien im Nemax All Share ein Schattendasein in der dritten Reihe gefristet. Ehemals ständig präsent im Laufband von n-tv, wurden sie nun in den neuen Technology- All-Share-Index abgeschoben, den kaum jemand beobachtete. Analysten stellten die Coverage ein - wenn sie das nicht schon vorher getan hatten -, Investoren verloren das Interesse.


Indes, wer in den letzten Monaten die Überbleibsel des Dot.com-Booms etwas näher unter die Lupe nahm, dem schlug alles andere als Totengräberstimmung entgegen - zumindest auf dem Papier: Die Aktie der Software-Schmiede Brokat gewann allein seit März rund 260 Prozent. SER versechsfachten sich im gleichen Zeitraum, und die Papiere der Hamburger Pop-Net legten sogar um satte 733 Prozent zu. Zwergenrally oder neuer Technologie-Boom?


"Diese Kurssprünge sind zum allergrößten Teil das Werk von Zockereien mit Penny-Stocks", sagt Jochen Mathée, Fondsmanager des Invesco Neue Märkte, ein einstiger Vorzeigeprofiteur der Internet-Blase. "Alle diese Aktien sind nur wenige Cents wert und sehr illiquide. Die Firmen sind pleite. Bei dem einen oder anderen Wert spielen vielleicht Spekulationen auf eine Übernahme der Börsennotierung, des Mantels, durch andere Unternehmen eine Rolle. Das war es dann aber auch schon."


Also doch nur heiße Luft? Nicht unbedingt. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat sich auch auf den unteren Rängen der Börsenwelt die Spreu vom Weizen getrennt. "Es gibt viele Ex-Neuer-Markt-Firmen, die schon abgeschrieben waren, aber nun doch den Turn-around geschafft haben", sagt Ralf Walter von der Cominvest. "Die haben zwei Jahre lang im stillen Kämmerlein gesessen und gearbeitet. Umstrukturiert, unprofitable Bereiche abgestoßen. Jetzt merken die Investoren, dass da doch Geld zu verdienen ist."


Eine solche Perle ist Teles. Bei geringen Umsätzen hat das Berliner Internet-Unternehmen seinen Börsenwert seit März knapp verdreifacht und robbt sich nun gleichsam von unten an den TecDax heran. Teles gilt als heißer Kandidat für eine Aufnahme ins Technologie-Top-Segment der Deutschen Börse. Ebenso Funkwerk. Die Kölner Mobilfunk-Firma übernahm in den letzten Jahren mehrere andere Unternehmen, darunter kürzlich die insolvente BinTec, um die Geschäftsgrundlage zu verbreitern. Seit Anfang April legte der Kurs um 57 Prozent zu. PSI, 3U Telecom, Isra Vision - überall wurden scheinbare oder tatsächliche Erfolge auf der Fundamentalseite durch explodierende Börsenkurse honoriert.


"Das ist nicht wirklich überraschend", sagt Karl Fickel, Partner und Portfolio-Manager bei Lupus Alpha in Frankfurt. "Am Neuen Markt waren ja nicht nur Betrüger oder windige Luftunternehmer aktiv. Es gibt da durchaus Firmen mit guter Substanz. Wenn man nicht weggeschaut hat, wie fast alle in den letzten 18 Monaten, konnte man damit gutes Geld verdienen." Bestes Beispiel: Freenet. Während die bekannteren Online-Firmen, wie United Internet, Web.de oder T-Online, in aller Munde waren, verlief der Gipfelsturm der ehemaligen Mobilcom-Tochter ohne großes Aufsehen: plus 190 Prozent seit März.


Die Index-Umstellungen der Deutschen Börse scheinen bei der Renaissance eine wichtige Rolle gespielt zu haben. "Nach dem Absturz des Nemax gab es bei vielen institutionellen Investoren strikte interne Regeln: keinen Pfennig mehr in den Neuen Markt!" sagt Jochen Mattei. "Nach der Neuordnung hat sich das geändert. In gute Werte darf jetzt wieder investiert werden." "Der Ruch des Windigen, Halbseidenen ist wohl weg", sagt Karl Fickel. "Und die Investoren graben auf der Jagd nach noch nicht gelaufenen Titeln wieder tiefer." Aber eigentlich habe sich nichts verändert. Einige Aktien seien auch vorher gut gewesen, andere auch jetzt noch wacklig. "Deshalb muss man auch vorsichtig mit Parolen sein wie: ,Der Neue Markt läuft wieder!" ,Riesengewinne!" ,Bitte nicht noch einmal einen Hype"."


Nach den Erfahrungen der Vergangenheit muss man sich da allerdings wohl kaum Sorgen machen.


 

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